Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten
ein Rätsel auf. Du solltest deinen dir wohltätigen Platz vor meinem Haus finden. In dieser Nacht hast du dich unter dem Druck der Situation hervorragend gehalten, und gegen Morgen bist du über einem ganz bestimmten Stein eingeschlafen, den ich dorthin gelegt hatte. Die Kraft zeigte mir. daß du unbarmherzig angetrieben werden mußtest, sonst hättest du überhaupt nichts getan.«
»Haben die Kraft-Pflanzen mir geho lf en ?« fragte ich. »Selbstverständlich«, sagte er. »Sie öffneten dich, indem sie deine Ansicht von der Welt unterbrachen. In dieser Hinsicht haben Kraft-Pflanzen dieselbe Wirkung auf das Tonal wie das >Richtige Gehen«. Beide überfluten es mit Informationen und gebieten dem inneren Dialog Einhalt. Die Pflanzen eignen sich hervorragend dazu, aber um einen hohen Preis. Sie fügen dem Körper unabsehbaren Schaden zu. Das ist ihr Nachteil, besonders beim Teufelskraut« (Datura stramonium; Anm. des Übers.).
»Wenn du doch wußtest, daß sie so gefährlich sind, warum hast du mir so viel - so oft - davon gegeben?« fragte ich. Er beteuerte, die Einzelheiten des Verfahrens seien von der Kraft selbst vorgeschrieben worden. Obwohl die Unterweisung bei allen Lehrlingen dieselbe sein müsse, sagte er, sei die Reihenfolge bei jedem verschieden, und außerdem habe er wiederholt Anzeichen dafür festgestellt, daß ich viel Zwang brauchte, um überhaupt etwas ernst zu nehmen. »Bei dir hatte ich es mit einem vorwitzigen Unsterblichen zu tun, der keinerlei Respekt vor seinem Leben oder seinem Tod hatte«, sagte er lachend. Ich brachte die Tatsache zur Sprache, daß er diese Pflanzen stets im Rahmen anthropomorpher Eigenschaften beschrieben und diskutiert hatte. Er hatte immer so von ihnen gesprochen, als hätten die Pflanzen eine eigene Persönlichkeit. Er erwiderte, dies sei ein vorgeschriebenes Mittel, um die Aufmerksamkeit des Lehrlings vom Eigentlichen abzulenken, nämlich dem Anhalten des inneren Dialogs. »Wenn sie nur benutzt werden, um den inneren Dialog anzuhalten, in welcher Beziehung stehen sie dann zum Verbündeten?« fragte ich. »Das ist schwer zu erklären«, sagte er. »Diese Pflanzen führen den Lehrling direkt zum Nagual, und der Verbündete ist ein Aspekt von diesem. Wir funktionieren ausschließlich mit dem Vernunft-Zentrum, ganz gleich wer wir sind und woher wir kommen. Die Vernunft kann natürlich alles, was innerhalb ihrer Weltsicht geschieht, auf die eine oder andere Weise erklären. Der Verbündete ist etwas, das außerhalb dieser Ansicht, außerhalb des Bereichs der Vernunft steht. Er kann nur mit dem Willens-Zentrum erlebt werden, in Augenblicken, wenn unsere normale Ansicht außer Kraft gesetzt ist. Daher ist er, genaugenommen, das Nagual. Doch die Zauberer lernen manchmal, den Verbündeten auf sehr problematische Weise wahrzunehmen, und dabei verstricken sie sich zu tief in eine neue Weltansicht. Um dich vor diesem Schicksal zu bewahren, habe ich dir daher den Verbündeten nicht so dargestellt, wie es die Zauberer in der Regel tun. Nach generationenlangem Gebrauch der Kraftpflanzen haben es die Zauberer gelernt, ihre Ansichten so weit zu erklären, wie sie überhaupt erklärbar sind. Ich möchte sagen, daß die Zauberer, indem sie ihren Willen benutzten, ihre Ansichten der Welt erweitern konnten. Mein Lehrer und mein Wohltäter waren die besten Beispiele dafür. Sie waren Männer von großer Kraft, aber sie waren keine Wissenden. Sie überwanden nie die Fesseln ihrer enormen Einsichten, und daher erreichten sie nie die Ganzheit ihres Selbst, doch sie wußten darum. Es war nicht so, daß sie ein zielloses Leben geführt und Dinge beansprucht hätten, die ihnen nicht zugänglich waren. Sie wußten, daß der Zug für sie abgefahren war und daß ihnen erst bei ihrem Tod das ganze Geheimnis offenbart werden würde. Die Zauberei hatte ihnen die Tür einen Spaltbreit geöffnet, aber ihnen nie wirklich ermöglicht, jene unfaßbare Ganzheit des Selbst zu erreichen.
Ich habe dir genug von der Ansicht der Zauberer vermittelt, ohne dich durch sie gefangennehmen zu lassen. Ich sagte, nur wenn man zwei Ansichten gegeneinander ausspielt, kann man zwischen ihnen hin- und herpendeln, um zur wirklichen Welt zu gelangen. Ich meinte damit, man kann die Ganzheit seines Selbst nur dann erreichen, wenn man vollkommen begreift, daß die Welt lediglich eine Ansicht ist, ganz gleich, ob diese Ansicht von einem normalen Menschen oder einem Zauberer vertreten wird.
In diesem Punkt weiche ich von der
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