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Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten

Titel: Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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Aufmerksamkeit entgangen sei. Nun erinnerte er mich an all die unsinnigen, beinahe scherzhaften Aufgaben, die er mir stets gestellt hatte, wenn ich bei ihm war. Absurde Pflichten, bei denen ich Feuerholz in symmetrischen Mustern anordnete, rund um sein Haus eine Linie konzentrischer Kreise mit dem Finger in den Sand zeichnete, Staub von einer Stelle zur anderen fegte usw. Dazu gehörten auch Aufgaben, die ich zu Hause erfüllen mußte: eine schwarze Kappe tragen, den linken Schuh zuerst zubinden, den Gürtel von rechts nach links schnallen usw. All dies faßte ich stets nur als Scherzaufgaben auf, denn immer wenn ich mir so etwas zur regelmäßigen Gewohnheit gemacht hatte, meinte Don Juan, ich dürfe es ruhig wieder vergessen. Als er nun all die Pflichten rekapitulierte, die er mir autgegeben hatte, erkannte ich, daß er, indem er mich zu so sinnlosen Routinehandlungen veranlaßte. mir tatsächlich einen Begriff davon vermittelt hatte, einfach zu handeln, ohne einen Nutzen davon zu erwarten.
    »Doch der Schlüssel zur Welt der Zauberer ist das Anhalten des inneren Dialogs«, sagte er. »Alle übrigen Maßnahmen sind nur Stützen. Sie bewirken eigentlich nichts anderes, als das Anhalten des inneren Dialogs zu beschleunigen.« Um das Anhalten des inneren Dialogs zu beschleunigen, gebe es zwei besonders wichtige Techniken: das Auslöschen der persönlichen Geschichte und das »Träumen«. Er erinnerte daran, daß er mir zu Beginn meiner Lehrzeit verschiedene spezifische Methoden zur Veränderung meiner Persönlichkeit empfohlen hatte. Ich hatte sie in meinen Aufzeichnungen festgehalten und dann jahrelang vergessen, bis ich ihre Bedeutung erkannte. Diese spezifischen Methoden erschienen mir zuerst als höchst idiosynkratische Maßnahmen, die mich zwingen sollten, mein Verhalten zu modifizieren. Die Kunst eines Lehrers bestehe darin, erklärte er, die Aufmerksamkeit des Lehrlings von den Hauptsachen abzulenken. Ein schlagendes Beispiel dafür sei die Tatsache, daß ich bis heute nicht erkannt hätte, daß er mich tatsächlich durch einen Trick zum Erlernen einer der wichtigsten Techniken gebracht hatte: zu handeln, ohne Belohnung zu erwarten. Gemäß dieser Regel, sagte er, habe er mein Interesse für das »Sehen« geweckt, welches -genaugenommen - ein Akt unmittelbaren Umgangs mit dem »Nagual« sei; ein Akt, der zwar ein unvermeidliches Resultat der Unterweisung, aber als Aufgabe per se unerreichbar sei.
    »Warum war es denn wichtig, mich so auszutricksen?« fragte ich.
    »Die Zauberer sind überzeugt, daß wir alle Toren sind«, sagte er. »Niemals können wir freiwillig unsere armselige Kontrolle aufgeben, darum müssen wir dazu getrickst werden.« Indem er meine Aufmerksamkeit auf eine Scheinaufgabe, nämlich das »Sehen« lernen gelenkt habe, so seine Behauptung, habe er zwei Dinge erreicht. Erstens habe er die direkte Begegnung mit dem »Nagual« umschrieben, ohne sie direkt zu erwähnen, und zweitens habe er mich mit einem Trick dazu gebracht, die wesentlichen Punkte seiner Lehren als Nebensächlichkeiten zu betrachten. Tatsächlich waren mir das »Auslöschen der persönlichen Geschichte« und das »Träumen« nie so wichtig erschienen wie das »Sehen«. Ich hielt sie eher für einen recht unterhaltsamen Zeitvertreib. Ich meinte sogar, daß ich für diese Übungen die beste Begabung hätte. »Die beste Begabung . . .« sagte er spöttisch, nachdem er mich angehört hatte. »Ein Lehrer darf nichts dem Zufall überlassen. Ich sagte dir ja, daß du recht hattest, als du glaubtest, ausgetrickst zu werden. Das Problem war nur, daß du überzeugt warst, dieses Austricksen sei dazu bestimmt, deine Vernunft irrezuführen. Für mich war das Austricksen nur ein Mittel, deine Aufmerksamkeit abzulenken oder einzufangen, je nachdem, wie es erforderlich war.« Er sah mich mit zusammengekniffenen Augen an und vollführte eine rasche kreisförmige Handbewegung. »Das Geheimnis von alledem ist unsere Aufmerksamkeit«, sagte er. »Was meinst du damit, Don Juan?«
    »All dies existiert nur aufgrund unserer Aufmerksamkeit. Dieser Stein, auf dem wir hier sitzen, ist ein Stein, weil wir gezwungen sind, ihm als Stein Aufmerksamkeit zu schenken.« Ich bat ihn, diese Vorstellung genauer zu erklären. Er lachte und drohte mir scherzhaft mit dem Finger. »Dies ist eine Zusammenfassung«, sagte er. »Für Fragen ist später noch Zeit.«
    Nur weil er mich geködert habe, sagte er, hätte ich angefangen, mich für das Auslöschen der

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