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Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten

Titel: Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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mich in diesem Augenblick für das eine oder das andere entscheiden. Ich brauchte nur den Gesichtswinkel zu wechseln und eine der beiden Szenen, statt sie von außen zu beobachten, aus der Perspektive des Subjekts zu erfühlen. Von Don Juans Haus ging irgendwie eine starke Wärme aus. Diese Szene bevorzugte ich.
    Sodann spürte ich einen fürchterlichen Schauder, so schrecklich, daß mein volles, normales Bewußtsein augenblicklich zu mir zurückkehrte. Don Juan und Don Genaro gössen aus Eimern Wasser über mich. Ich war auf der Veranda vor Don Juans Haus.
    Ein paar Stunden später saßen wir in der Küche. Don Juan hatte darauf bestanden, daß ich mich so benähme, als sei nichts geschehen. Er gab mir etwas zu essen und sagte, ich solle ordentlich zugreifen, um meine verausgabte Energie wieder aufzufrischen.
    Nachdem wir uns zu Tisch gesetzt hatten, schaute ich auf die Uhr; es war halb neun abends. Mein Erlebnis hatte mehrere Stunden gedauert. Was aber meine Erinnerung betraf, so schien es mir, als hätte ich nur eine kurze Weile geschlafen. Obgleich ich jetzt ganz ich selbst war, war ich immer noch wie betäubt. Erst nachdem ich angefangen hatte, in meinem Notizbuch zu schreiben, erlangte ich mein normales Bewußtsein wieder. Es war eine Überraschung für mich, daß das Schreiben eine sofortige Ernüchterung bewirken konnte. In dem Augenblick, als ich wieder ich selbst war, stürmte sogleich ein Trommelfeuer von vernünftigen Gedanken auf mich ein; sie drehten sich um die Erklärung des Phänomens, das ich soeben erlebt hatte. Ich »wußte« auf der Stelle, daß Don Genaro mich in dem Moment hypnotisiert hatte, als er mich auf den Boden drückte, aber ich versuchte nicht, herauszufinden, wie er es angestellt hatte.
    Als ich meine Gedanken vortrug, lachten die beiden fast hysterisch. Don Genaro untersuchte meinen Bleistift und meinte, dieser Bleistift sei der Schlüssel, mit dem man mein Uhrwerk aufziehen könne. Ich war streitlustig, war müde und reizbar. Schließlich schrie ich sie förmlich an. während sie sich vor Lachen schüttelten.
    Dann sagte Don Juan, es sei wohl verzeihlich, einmal daneben zu treffen, aber nicht mit so weitem Abstand; und Don Genaro sei schließlich nur gekommen, um mir zu helfen und mir das Geheimnis des Träumenden und Geträumten zu zeigen. Meine Gereiztheit erreichte einen Höhepunkt. Don Juan gab Don Genaro mit einer Kopfbewegung ein Zeichen. Beide standen auf und führten mich hinter das Haus. Dort demonstrierte Don Genaro sein großes Repertoire von Tierstimmen und -schreien. Er forderte mich auf, mich für eine davon zu entscheiden, und lehrte mich, sie nachzuahmen. Nach stundenlanger Übung gelang es mir. sie einigermaßen gut zu imitieren. Zu guter Letzt hatten sie selbst an meinen unbeholfenen Versuchen Spaß gefunden und lachten, bis ihnen förmlich die Tränen kamen, und ich hatte durch das Nachahmen eines lauten Tierschreis die Spannung in mir gemildert. Diese meine Imitation, so sagte ich ihnen, war mir wirklich irgendwie unheimlich. Meine körperliche Entspannt-heit war unvergleichlich. Wenn ich diesen Schrei vervollkommnete, meinte Don Juan, dann könnte ich ihn zu einem Medium der Kraft machen, oder ich könnte ihn auch einfach benutzen, um meine Spannung zu lindern, wann immer es nötig sein sollte. Dann schlug er vor, ich solle schlafen gehen. Aber ich fürchtete mich vor dem Einschlafen. Einige Zeit saß ich noch bei ihnen am Herdfeuer, und dann fiel ich ganz von selbst in einen tiefen Schlaf.
    Bei Tagesanbruch erwachte ich. Don Genaro schlief neben der Tür. Anscheinend erwachte er zur gleichen Zeit wie ich. Sie hatten mich zugedeckt und mir meine Jacke als Kissen unter den Kopf geschoben. Ich war sehr ruhig und fühlte mich ausgeruht. Ich bemerkte zu Don Genaro, ich sei am Vorabend wohl recht erschöpft gewesen. Er ebenfalls, meinte er. Er flüsterte, als wolle er mir etwas anvertrauen, und erzählte mir, daß Don Juan noch erschöpfter gewesen sei, weil er immerhin älter sei als wir.
    »Du und ich, wir sind jung«, sagte er, und seine Augen funkelten. »Er aber ist alt. Er muß jetzt an die dreihundert Jahre alt sein.«
    Ich setzte mich rasch auf. Don Genaro zog sich die Decke übers Gesicht und lachte dröhnend. In diesem Augenblick kam Don Juan herein.
    Ich spürte so etwas wie Vollkommenheit und Frieden. Im Augenblick wenigstens konnte mir gar nichts etwas anhaben. Ich fühlte mich so wohl, daß mir nach Weinen zumute war. In der vergangenen Nacht, meinte

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