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Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten

Titel: Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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da. Dies war selbst ein Gefühl, nicht aber ein Gedanke oder eine bewußte Feststellung.
    Einige Zeit versuchte ich mir Rechenschaft zu geben, was eigentlich vor sich ging; meine Gewohnheit, mir über alles ein Urteil zu bilden, war anscheinend nicht kleinzukriegen. Irgendwann aber setzte meine innere Buchhaltung aus, und ein namenloses Etwas hüllte mich ein - Gefühle und Bilder aller Art.
    An einem gewissen Punkt setzte das innere Registrieren bei mir wieder ein, und ich bemerkte, daß ein Bild sich dauernd wiederholte: Es waren Don Juan und Don Genaro, die mich zu fassen versuchten. Das Bild war flüchtig, es glitt schnell an mir vorbei. Es war so ähnlich, als sähe ich sie aus dem Fenster eines schnellen Fahrzeugs. Offenbar versuchten sie, mich zu fangen, während ich vorbeischwebte. Das Bild wurde klarer und hielt länger an, je öfter es sich wiederholte. Irgendwann gewahrte ich bewußt, daß ich es willkürlich aus Tausenden anderer Bilder isolieren konnte. Die übrigen überflog ich sozusagen, um zu dieser besonderen Szene zu gelangen. Schließlich konnte ich sie festhalten, indem ich an sie dachte. Kaum hatte ich angefangen zu denken, setzten meine gewohnten Prozesse wieder ein. Sie waren nicht so deutlich wie meine gewohnten Aktivitäten, aber klar genug, um zu erkennen, daß die Szene oder das Gefühl, das ich isoliert hatte, darin bestand, daß Don Juan und Don Genaro auf Don Juans Veranda waren und mich unter den Armen festhielten. Ich wollte weiter durch andere Bilder und Gefühle fliehen, aber sie ließen mich nicht los. Einen Augenblick wehrte ich mich. Ich fühlte mich beschwingt und glücklich. Ich wußte, daß ich die beiden gern hatte, und dann wußte ich auch, daß ich keine Angst vor ihnen hatte. Ich wollte mit ihnen scherzen, doch ich wußte nicht wie, und ich lachte dauernd und schlug sie auf die Schultern. Noch etwas war mir bewußt. Ich war sicher, daß ich »träumte«. Sobald ich meinen Blick auf irgend etwas konzentrierte, wurde es sofort verschwommen. Don Juan und Don Genaro sprachen zu mir. Ich konnte ihre Worte nicht recht festhalten, und ich konnte nicht unterscheiden, wer von beiden sprach. Dann drehte Don Juan meinen Körper um und wies auf ein am Boden liegendes Etwas. Don Genaro zog mich näher heran und führte mich um es herum. Das Etwas war ein Mann, der am Boden lag. Er lag auf dem Bauch, das Gesicht nach rechts gewandt. Während sie sprachen, zeigten sie immer wieder auf den Mann. Sie zogen und zerrten mich im Kreis um ihn herum. Ich konnte meinen Blick nicht auf ihn fixieren, aber schließlich hatte ich ein Gefühl der Ruhe und Nüchternheit, und ich schaute den Mann an. Ganz langsam dämmerte mir die Erkenntnis, daß der Mann dort am Boden ich selbst war. Diese Erkenntnis bereitete mir keinerlei Angst oder Unbehagen. Ich akzeptierte es einfach ohne Gefühlsbeteiligung. In diesem Augenblick schlief ich nicht ganz, aber ich war auch nicht völlig wach oder bei klarem Bewußtsein. Auch erkannte ich Don Juan und Don Genaro jetzt besser und konnte sie auseinanderhalten, wenn sie mit mir sprachen. Don Juan sagte, wir würden nun zu dem kreisrunden Platz der Kraft im Chaparral gehen. Kaum hatte er es ausgesprochen, da tauchte in meinem Kopf schlagartig das Bild jenes Ortes auf. Ich sah die dunkle Masse der ihn umgebenden Büsche. Ich wandte mich nach rechts; auch Don Juan und Don Genaro waren da. Ich spürte einen Schlag und hatte das Gefühl, daß ich mich vor ihnen fürchtete. Vielleicht deshalb, weil sie wie zwei bedrohliche Schatten aussahen. Sie kamen näher. Sobald ich ihre Gesichter erkannte, verschwanden meine Ängste. Ich hatte sie wieder gern. Es war, als sei ich betrunken und könne meine Gedanken nirgends festmachen. Sie packten mich an den Schultern und schüttelten mich mit vereinten Kräften. Sie befahlen mir aufzuwachen. Ich konnte ihre Stimmen deutlich hören und unterscheiden. Dann kam ein einzigartiger Augenblick. Ich hatte zwei Bilder vor meinem inneren Auge, zwei Träume. Mir war, als ob irgend etwas in mir fest schlief und nun erwachte, und ich fand mich auf dem Fußboden der Veranda liegend wieder, während Don Juan und Don Genaro mich schüttelten. Aber ich war auch an dem Ort der Kraft, und Don Juan und Don Genaro schüttelten mich ebenfalls. Es gab einen entscheidenden Moment, wo ich weder an der einen noch an der anderen Stelle war, sondern an zwei Orten als Beobachter zwei Szenen gleichzeitig sah. Ich hatte die unglaubliche Empfindung, als könne ich

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