Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten
Anzug begegnet war. war mir so unheimlich, daß ich meine Erregung kaum beherrschen konnte. Zwar hatte ich ihn monatelang nicht gesehen und wünschte mir mehr als alles andere auf der Welt, mit ihm zu sprechen, aber irgendwie war dies nicht die richtige Situation, und meine Aufmerksamkeit wanderte hierhin und dorthin. Offenbar hatte Don Juan meine Verlegenheit bemerkt, denn er schlug vor, wir sollten nach La Alameda gehen, einem ein paar Straßenzeilen entfernten, ruhigeren Park. Hier waren nur wenige Menschen, und wir fanden ohne Mühe eine leere Bank. Wir setzten uns. Meine Nervosität war einem unbehaglichen Gefühl gewichen. Ich wagte es nicht, Don Juan anzusehen.
Nun entstand eine lange, entnervende Pause; immer noch ohne in anzuschauen, sagte ich. daß die innere Stimme mich schließlich getrieben habe, ihn aufzusuchen, daß die erschütternden Ereignisse, die ich in seinem Haus erlebt hatte, mein Leben tiefgreifend verändert hätten und daß ich ganz einfach darüber sprechen müsse.
Er machte eine ungeduldige Handbewegung und meinte, es sei sein Grundsatz, sich niemals mit Vergangenem aufzuhalten.
»Worauf es jetzt einzig ankommt, ist, daß du dich an meinen Vorschlag gehalten hast«, sagte er. »Du hast deine alltägliche Welt als Herausforderung angenommen, und der Beweis, daß du genügend persönliche Kraft gespeichert hast, ist die unbe streitbare Tatsache, daß du mich ganz mühelos gefunden hast, genau an der Stelle, wo du es solltest.«
»Diesen Zusammenhang möchte ich doch sehr bezweifeln«, sagte ich. »Ich habe auf dich gewartet, und jetzt bist du da«, sagte er. »Das ist alles, was ich weiß. Das ist alles, was ein Krieger zu wissen braucht.
»Und was geschieht jetzt, da ich dich gefunden habe?« fragte ich.
»Eines zumindest«, sagte er. »Wir werden nicht die Probleme deiner Vernunft diskutieren; diese Erfahrungen gehören zu einer anderen Zeit und zu einer anderen Stimmung. Genaugenommen sind sie nur Stufen auf einer endlosen Leiter. Sich mit ihnen aufzuhalten, würde heißen, die Bedeutung dessen zu schmälern, was hier und jetzt geschieht. Und das kann ein Krieger sich nicht leisten.«
Ich spürte einen unwiderstehlichen Drang, mich zu beklagen. Nicht daß ich irgend etwas bereut hätte, das mir widerfahren war, aber ich sehnte mich nach Trost und Mitleid. Don Juan schien meine Stimmung zu erkennen, und er sprach jetzt so, als hätte ich tatsächlich meine Gedanken geäußert. »Nur als Krieger kann man den Weg des Wissens ertragen«, sagte er. »Ein Krieger darf nichts bereuen und sich über nichts beklagen. Sein Leben ist eine immerwährende Herausforderung, und Herausforderungen sind niemals gut oder schlecht. Herausforderungen sind einfach Herausforderungen.« Er sprach mit knappen, ernsten Worten, aber sein Lächeln war herzlich und entwaffnend.
»Jetzt, wo du hier bist, wollen wir auf ein Omen warten«, sagte er.
»Was für ein Omen??« fragte ich.
»Wir müssen herausfinden, ob deine Kraft allein für sich bestehen kann«, sagte er. »Beim letzten Mal hat sie ja kläglich versagt. Diesmal scheinen die Umstände deines persönlichen Lebens dir - zumindest oberflächlich betrachtet - alles zu geben, was du brauchst, um die Erklärung der Zauberer auszuhalten.«
»Ist es denn nicht möglich, daß du mir etwas darüber erzählst?« fragte ich.
»Das hängt von deiner persönlichen Kraft ab«, sagte er. »Wie stets beim Tun und Nichttun von Kriegern der Fall, ist die persönliche Kraft das einzige, worauf es ankommt. Bislang, meine ich, machst du es ganz gut.«
Er ließ eine kurze Pause entstehen, wie um das Thema zu wechseln, dann stand er auf und deutete auf seinen Anzug. »Ich habe meinen Anzug für dich angelegt«, sagte er geheimnisvoll. »Dieser Anzug ist meine Herausforderung. Schau nur, wie gut ich darin aussehe! Wie gut er sitzt! Na? Da fehlt nichts!«
Tatsächlich stand der Anzug Don Juan außerordentlich gut. Der einzige Vergleich, der mir einfiel, war die Art, wie mein Großvater in seinem schweren englischen Flanell-Anzug auszusehen pflegte. Er machte mir stets den Eindruck, als fühle er sich in einem Anzug unnatürlich, fremd. Don Juan dagegen war so unbefangen.
»Glaubst du. es fällt mir leicht, in einem Anzug natürlich zu wirken'?« fragte Don Juan.
Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Nach seinem Aussehen und Auftreten zu urteilen, so dachte ich bei mir, war es für ihn wohl das Leichteste von der Welt.
»Einen Anzug zu tragen ist eine
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