Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten

Titel: Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
Vom Netzwerk:
Möglichkeit eines Augenblicks gab, da der Geist eines freien Menschen mein ganzes Sein erfassen würde, genau wie der Geist der »Katzen-haftigkeit« Max' aufgeschwemmten und nutzlosen Körper erfaßt hatte.
    Don Juan hatte diese Geschichte gefallen, und er hatte ein paar Anmerkungen dazu gemacht. Es sei nicht schwer, meinte er, den Geist eines freien Menschen zu wecken und sich von ihm erfassen zu lassen; doch ihn festzuhalten, das sei etwas, was nur ein Krieger könne.
    »Was soll die Geschichte von den Katzen?« fragte ich. »Du sagtest mir doch, daß du meintest, du würdest deine Chance nutzen, genau wie Max«, sagte er. »Das glaube ich allerdings.«
    »Was wir dir beizubringen versuchten, ist, daß ein Krieger dies nicht einfach glauben und es dabei bewenden lassen darf. Im Falle von Max bedeutet glauben müssen, daß du auch die Tatsache akzeptierst, daß seine Flucht vielleicht ein sinnloser Ausbruch gewesen ist. Vielleicht ist er in die Kanalisation gesprungen und auf der Stelle verreckt. Vielleicht ist er ersoffen oder verhungert oder vielleicht sogar von den Ratten aufgefressen worden. Ein Krieger zieht alle diese Möglichkeiten in Betracht, und dann entscheidet er sich dafür, im Einklang mit seiner innersten Wahl zu glauben. Als Krieger mußt du glauben, daß Max es geschafft hat, daß er nicht nur ausgerissen ist, sondern daß er seine Kraft behalten hat. Du mußt es glauben. Sagen wir, ohne diesen Glauben hast du gar nichts.« Jetzt wurde mit der Unterschied ganz klar. Ich hatte mich wohl wirklich dafür entschieden zu glauben, daß Max am Leben geblieben war, obwohl ich wußte, daß er durch eine lebenslange Verweichlichung und Hätschelei benachteiligt war. »Glauben - das ist ein klarer Fall«, fuhr Don Juan fort. »Glauben müssen ist etwas anderes. In diesem Fall zum Beispiel erteilte die Kraft dir eine hervorragende Lehre, aber du hast dich damit begnügt, nur einen Teil davon zu nutzen. Wenn du glauben mußt, dann mußt du jedoch den ganzen Vorgang nutzen.«
    »Ich verstehe, was du meinst«, sagte ich. Ich befand mich in einem Zustand geistiger Klarheit und meinte, ich könne seine Begriffe ganz mühelos erfassen. »Ich fürchte, du verstehst immer noch nicht«, sagte er beinahe flüsternd. Er starrte mich an. Eine Weile hielt ich seinem Blick stand. »Und was ist mit der anderen Katze?« fragte er. »Ach? Die andere Katze?« wiederholte ich unwillkürlich. Ich hatte sie ganz vergessen. Mein Symbol drehte sich nur um Max. Die andere Katze hatte keinerlei Bedeutung für mich.
    »Aber das hat sie doch!« rief Don Juan, nachdem ich ihm meine Gedanken vorgetragen hatte.
    »Glauben müssen bedeutet, daß du auch die andere Katze in Betracht ziehen mußt. Diejenige, die verspielt die Hände leckte, die sie in ihr Verderben trugen. Dies war die Katze, die voll Vertrauen in ihren Tod ging, erfüllt von ihren Katzen-Einsichten.
    Du glaubst, du seist wie Max. darum hast du die andere Katze vergessen. Du weißt nicht einmal ihren Namen. Glauben müssen bedeutet, daß du alles in Betracht ziehen mußt. und bevor du beschließt, daß du wie Max bist, mußt du erwägen, daß du auch wie die andere Katze sein könntest. Statt um dein Leben zu laufen und deine Chance zu nutzen, könntest du auch glücklich in dein Verderben gehen, erfüllt von deinen Einsichten.«
    In seinen Worten lag eine durchdringende Traurigkeit, oder vielleicht war es auch meine eigene Traurigkeit. Lange schwiegen wir. Es war mir nie in den Sinn gekommen, daß ich auch wie die andere Katze sein könnte. Dieser Gedanke war sehr beunruhigend für mich.
    Plötzlich wurde ich durch einen gelinden Aufruhr und gedämpftes Stimmengewirr aus meinen Überlegungen gerissen. Polizisten vertrieben die Leute, die sich um den im Gras liegenden Mann gesammelt hatten. Irgendwer hatte den Kopf des Mannes auf ein zusammengerolltes Jackett gestützt. Der Mann lag parallel zur Straße. Er blickte nach Osten. Von meinem Platz aus konnte ich beinahe feststellen, daß er die Augen offen hatte. Don Juan seufzte.
    »Was für ein wunderbarer Nachmittag«, sagte er und schaute zum Himmel auf.
    »Ich liebe Mexico City nicht«, sagte ich. »Warum nicht?«
    »Ich hasse den Smog.«
    Er nickte rhythmisch mit dem Kopf, so als pflichte er mir bei. »Lieber wäre ich mit dir in der Wüste oder in den Bergen«, sagte ich. »Ich an deiner Stelle würde so etwas nie sagen«, sagte er.
    »Ich habe mir nichts Böses dabei gedacht, Don Juan.«
    »Das wissen wir beide. Es kommt

Weitere Kostenlose Bücher