Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten

Titel: Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
Vom Netzwerk:
City schuld daran. Ich hätte auch den Bus oder ein Taxi nehmen können, aber irgendwie wollte ich, trotz meiner Erschöpfung, zu Fuß gehen. Es war am Sonntagnachmittag. Der Verkehr war gering, und doch verwandelten die Auspuffgase der Busse und Lastwagen mit ihren Dieselmotoren die engen Straßen der Innenstadt in Schluchten voller Smog. Ich kam am Zocalo vorbei und stellte fest, daß die Kathedrale von Mexico City diesmal noch schiefer stand als beim letzten Mal, als ich sie sah. Ich schlenderte ein paar Schritte durch die riesigen Gewölbe. Ein zynischer Gedanke kam mir in den Sinn. Von dort machte ich mich zum Lagunilla-Markt auf. Ich hatte eigentlich keine bestimmte Absicht. Ziellos, aber mit schnellem Tempo lief ich drauflos, ohne mir etwas Besonderes anzusehen. Schließlich landete ich bei den Ständen mit alten Münzen und antiquarischen Büchern.
    »Hallo, hallo! Sieh mal an, wer da ist!« sagte jemand und klopfte mir leicht auf die Schulter.
    Diese Stimme und die Berührung ließen mich auffahren. Rasch drehte ich mich nach rechts. Vor Überraschung blieb mir der Mund offenstehen. Wer mich da angesprochen hatte -war Don Juan.
    »Mein Gott, Don Juan!« rief ich, und ein Schauder lief mir über den Körper, vom Scheitel bis zur Sohle. »Was machst du denn hier?«
    »Was machst du denn hier?« echote er. Ich sagte ihm, ich sei auf ein paar Tage in der Stadt geblieben, bevor ich in die Berge von Zentralmexiko aufbrechen wollte, um ihn aufzusuchen. »Na schön«, sagte er lächelnd, »dann bin ich eben von den Bergen heruntergekommen, um dich aufzusuchen.« Er klopfte mir ständig auf die Schulter. Offenbar freute er sich, mich zu sehen. Er stemmte die Fäuste in die Hüften, blähte die Brust vor und fragte mich, was ich zu seinem Aussehen sagte. Jetzt erst fiel mir auf. daß er einen Anzug trug. Diese Unstimmigkeit machte mich ganz betroffen. Ich war verblüfft.
    »Wie gefällt dir mein tacuche'l«. fragte er strahlend. Er gebrauchte das Dialektwort »tacuche« statt des hochspanischen »traje« für Anzug.
    »Heute habe ich einen Anzug an«, sagte er, als ob dies noch einer Erläuterung bedurfte. Dann deutete er auf meinen Mund und meinte: »Mach ihn zu, mach ihn zu!« Ich lachte zerstreut. Er bemerkte meine Verwirrung und schüttelte sich vor Lachen, während er sich einmal im Kreis drehte, damit ich ihn von allen Seiten bewundern konnte. Sein Aufzug war unglaublich. Er trug einen hellbraunen Nadel-Streifen-Anzug, braune Schuhe, ein weißes Hemd. Und eine Krawatte! Und dies brachte mich auf die Frage, ob er überhaupt Socken anhatte oder ob seine Füße am Ende barfuß in den Schuhen steckten.
    Meine Verwirrung wurde noch durch den seltsamen Eindruck gesteigert, daß ich nämlich, als Don Juan mich auf die Schulter klopfte und ich mich umdrehte, gemeint hatte, ihn in seinen Khakihosen, seinem Khakihemd, seinen Sandalen und seinem Strohhut zu sehen und daß dann erst, als er mich auf seine Kleidung aufmerksam gemacht und ich sie überhaupt erst in allen Einzelheiten wahrgenommen hatte, die Gesamtheit seiner Erscheinung zu einem festen Bild gerann, so als hätte ich sie erst durch meine Gedanken geschaffen. Mein Mund war anscheinend der am stärksten von meiner Überraschung betroffene Körperteil. Er öffnete sich unwillkürlich. Don Juan faßte mich sanft am Kinn, als ob er mir helfen wollte, den Mund zu schließen.
    »Du kriegst bestimmt noch ein Doppelkinn«, sagte er und lachte rhythmisch.
    Jetzt bemerkte ich auch, daß er keinen Hut trug und daß sein kurzes weißes Haar auf der rechten Seite gescheitelt war. Er sah aus wie ein mexikanischer alter Herr, ein makellos gekleideter Städter.
    Ihn hier anzutreffen, sagte ich ihm, bringe mich so durcheinander, daß ich mich erst mal hinsetzen müsse. Er schien zu verstehen und schlug vor, wir sollten in einen nahegelegenen Park gehen.
    Schweigend gingen wir ein paar Straßen weit, dann erreichten wir die Plaza Garribaldi, einen Platz, wo Musiker ihre Dienste anboten, eine Art Arbeitsamt für Musikanten. Don Juan und ich tauchten in die Menge der Zuschauer und Touristen ein und wanderten durch den Park. Nach einer Weile blieb er stehen, lehnte sich an eine Mauer und zog die Hosen bis zu den Knien hoch: er trug hellbraune Socken. Ich bat ihn. mir die Bedeutung seines wunderlichen Aufzugs zu erklären. Seine reichlich unbestimmte Antwort war, er müsse heute eben einen Anzug tragen, aus Gründen, die mir später klarwerden würden. Daß ich Don Juan in einem

Weitere Kostenlose Bücher