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Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten

Titel: Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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erinnern konnte, war ein überwältigendes Gefühl des Staunens und Frohlockens. Alles an mir vibrierte. Es war, als ob Stromstöße durch mich hindurch gingen. Sie waren nicht schmerzhaft. Sie waren angenehm, aber auf so unbestimmte Weise, daß es mir unmöglich war, sie genauer zu definieren. Ich wußte jedoch, daß ich mit dem Boden in Kontakt war, wie dieser auch immer beschaffen sein mochte. Ein Teil von mir erkannte mit prägnanter Klarheit, daß es der Boden war. Aber in dem Augenblick, als ich versuchte, die Unendlichkeit der unmittelbaren Wahrnehmungen, die ich hatte, kritisch zu durchdringen, verlor ich alle Fähigkeit, meine Wahrnehmungen zu unterscheiden. Dann war ich auf einmal wieder ich selbst. Ich dachte. Es war ein so unvermittelter Übergang, daß ich glaubte, aufgewacht zu sein. Und doch war da irgend etwas an meinen Empfindungen, das nicht ganz ich selbst war. Noch bevor ich die Augen aufschlug, wußte ich, daß eigentlich etwas fehlte. Ich war immer noch in einem Traum oder in einer Vision befangen. Meine Denkprozesse aber waren nicht nur unbeeinträchtigt, sondern ungewöhnlich klar. Rasch orientierte ich mich. Ich zweifelte nicht daran, daß Don Juan und Don Genaro meinen traumartigen Zustand zu einem bestimmten Zweck ausgelöst hatten. Ich glaubte schon zu verstehen, welch ein Zweck damit verbunden war, als etwas mir Fremdes mich zwang, meine Aufmerksamkeit auf meine Umgebung zu richten. Ich brauchte lange, bis ich wußte, wo ich war. Tatsächlich, ich lag auf dem Bauch, und zwar auf einem ganz sonderbaren Fußboden. Als ich ihn näher untersuchte, konnte ich mir ein Gefühl der Ehrfurcht und des Staunens nicht versagen. Ich begriff nicht, woraus er gemacht war. Unregelmäßige Platten von irgendeiner unbekannten Substanz waren höchst kunstvoll und doch einfach zusammengesetzt. Sie waren zwar zusammengefügt, aber nicht am Boden oder aneinander befestigt. Sie waren elastisch und gaben nach, wenn ich versuchte, sie mit dem Finger auseinanderzuschieben, aber sobald ich losließ, schnellten sie wieder in ihre Ausgangslage zurück. Ich versuchte aufzustehen, unterlag aber der befremdlichsten Störung meiner Sinne. Ich hatte keinerlei Kontrolle über meinen Körper; tatsächlich schien mein Körper nicht einmal zu mir zu gehören. Er war schlaff, und ich hatte zu keinem seiner Teile eine Verbindung, und als ich aufzustehen versuchte, konnte ich die Arme nicht bewegen und plumpste hilflos auf den Bauch, wobei ich zur Seite rollte. Der Schwung des Sturzes ließ mich beinahe eine komplette Drehung vollführen und wieder auf dem Bauch landen. Aber meine ausgestreckten Arme und Beine bremsten die Drehung, und ich kam auf dem Rücken zu liegen. In dieser Position fiel mein Blick auf zwei seltsam geformte Beine und die formlosesten Füße, die ich je gesehen hatte. Das war mein Körper! Ich war anscheinend in eine Decke eingehüllt. Mir kam der Gedanke in den Sinn, daß ich mich vielleicht selbst in einer Szene als Krüppel oder Invalide erlebte. Ich versuchte, mich aufzurichten und meine Beine anzuschauen, aber mein Körper ruckte nur matt. Ich schaute direkt in einen gelben Himmel, einen tiefen, strahlend zitronengelben Himmel. Er wies Rillen oder Vertiefungen von dunklerem Gelb auf, und eine Unzahl von Ausbuchtungen, die wie Wassertropfen herabhingen. Die Gesamtwirkung dieses unglaublichen Himmels war atemberaubend. Ich konnte nicht feststellen, ob jene Ausbuchtungen Wolken waren. Als ich meinen Kopf hin- und herdrehte, entdeckte ich auch Schatten und Flecken in anderen Gelbtönen.
    Dann zog etwas anderes meine Aufmerksamkeit an; eine Sonne, genau am Zenit des gelben Himmels, direkt über meinem Kopf, eine milde Sonne - nach der Tatsache zu urteilen, daß ich sie anstarren konnte -, die ein sanftes, gleichförmiges, weißliches Licht ausstrahlte. Noch bevor ich Zeit fand, über all diese unirdischen Bilder nachzudenken, wurde ich heftig geschüttelt. Mein Kopf ruckte und schaukelte hin und her. Ich wurde hochgehoben. Ich hörte eine schrille Stimme und Kichern - und ich war mit dem erstaunlichsten Anblick konfrontiert: einer gigantischen barfüßigen Frau. Ihr Gesicht war rund und riesig. Ihr Haar war zu einem Pagenkopf geschnitten. Ihre Arme und Beine waren monströs. Sie hob mich auf und legte mich über ihre Schulter, als wäre ich eine Puppe. Mein Körper hing schlaff herab. Ich schaute ihren kräftigen Rücken hinab. Um die Schultern und am Rückgrat entlang hatte sie einen feinen Flaum, Als ich

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