Don Juan 05 - Der zweite Ring der Kraft
m wi r behaupten, da ß di e Elter n erwachse n sin d un d Verantwortun g tragen . Abe r da s ist nich t wahr . D i e Wahrhei t ist , da ß si e ihre n Schnei d verlore n haben. « Ich fragt e l a Gorda , wa s de r Nagua l woh l gesag t habe n würde , wen n ic h ihm erzähl t hätte , da ß ic h Elter n kannte , di e vie l meh r Geis t un d Schnei d hatten al s ihr e Kinder . Si e lacht e un d bedeckt e verschäm t ih r Gesicht . »D u kannst j a mic h fragen« , sagt e si e kichernd . »Wills t d u mein e Meinun g hören?«
»Natürlic h wil l ic h das!«
»Dies e Leut e habe n keinesweg s meh r Geist ; si e hatte n nu r vo n Anfang a n meh r Energi e un d habe n ihr e Kinde r daz u abgerichtet , folgsa m und schwächlic h z u sein . Si e mache n ihre n Kinder n lebenslan g Angst . Da s ist alles.«
Ic h schildert e ih r de n Fal l eine s Mannes , de n ic h ma l gekann t hatte ; er wa r Vate r vo n vie r Kinder n un d hatt e i m Alte r vo n 5 3 Jahre n sei n Leben völli g geändert . Daz u gehört e a u ch , da ß e r nac h fünfundzwanzigjähriger Karrier e al s Geschäftsman n un d Familienvate r sein e Fra u verlie ß und seine n Führungsposte n i n eine r große n Firm a aufgab . Da s alle s war f er muti g hinte r sic h un d lebt e forta n au f eine r Inse l i m Pazifik . »Was , gin g er g a n z allei n au f di e Insel? « fragt e l a Gord a überrascht.
Dami t hatt e si e mei n Argumen t zerpflückt . Ic h mußt e zugeben , da ß der Man n jetz t mi t seine r dreiundzwanzigjährige n Brau t lebte.
»Di e zweifello s vollständi g ist« , fügt e l a Gord a hinzu . Wiede r mußt e ich ih r rech t geben.
»Ei n leere r Man n nutz t imme r di e Vollständigkei t eine r Fra u aus« , sagte sie . »Ein e vollständig e Fra u is t i n ihre r Vollständigkei t gefährlic h — mehr noc h al s ei n Mann . Si e is t unzuverlässig , schwankend , nervös , abe r si e ist auc h z u große n Än d erunge n fähig . Solch e Fraue n könne n sic h eine s Tages aufraffe n un d gehen , wohi n si e wollen . Vielleich t fange n si e dor t nichts Besondere s an , abe r da s is t nur , wei l si e vo n Anfan g a n nicht s vorhatten. Leer e Mensche n dagege n könne n nich t meh r s o durc h di e Ge gend springen . Dafü r sin d si e zuverlässiger . Leer e Menschen , s o sagt e der Nagual , sin d wi e Würmer , di e sic h ängstlic h umschauen , bevo r si e ein Stückche n weiterkriechen , un d dan n ziehe n si e sic h zurück , un d dann krieche n si e wiede r ei n Stückche n weiter . Vo l lständig e Mensche n springen un d schlage n Purzelbäume , un d meisten s lande n si e au f de m Arsch , aber da s mach t ihne n nicht s aus.
U m i n di e ander e Wel t einzugehen , sagt e de r Nagual , mu ß man vollständi g sein . U m ei n Zaubere r z u sein , mu ß ma n sein e ganze Leuchtkraf t haben : kein e Löcher , kein e Flicken ; un d de r ganz e Schnei d des Geiste s mu ß d a sein . Dahe r mu ß ei n Zauberer , de r lee r ist , seine Vollständigkei t wiedererlangen . O b Man n ode r Fra u - si e all e müssen vollständi g werden , u m i n dies e Wel t dor t drauße n z u ge h en , diese Ewigkeit , w o de r Nagua l un d Genar o jetz t au f un s warten.«
Si e unterbrac h sic h un d blickt e mic h lang e an . E s ga b kau m noch genügen d Licht , u m z u schreiben.
»Abe r wi e has t d u dein e Vollständigkei t wiedererlangt? « fragt e ich.
Bei m Klan g meine r Stimm e fuh r si e auf . Ic h wiederholt e mein e Frage. Si e starrt e zu r Wölbun g de r Höhl e hinauf , bevo r si e mi r antwortete.
»Ic h mußt e mein e beide n Mädche n ablehnen« , sagt e sie . »De r Nagual ha t di r einma l erzählt , wi e ma n da s macht , abe r d u wolltes t nicht s davon wissen . Seine r Meinun g nac h müsse n wi r diese n Schnei d erneu t stehlen, u m ih n wiederzuerlangen . Wi r habe n ih n einstmal s au f di e hart e Art bekommen , inde m wi r ih n vo n unsere n Elter n stahlen , un d jetz t müssen wi r ih n genauso , au f di e hart e Art , wiedererlangen.
D i e s lehrt e e r mich , un d al s erste s bracht e e r mic h dazu , mein e Lieb e zu de n beide n Kinder n abzulehnen . Die s mußt e ic h durch s Träume n tun . Nach un d nac h lernt e ich , si e nich t z u lieben , abe r de r Nagua l sagte , die s sei zwecklos ; e s komm e nich t darau f an , nic h t z u lieben , sonder n ma n müsse lernen , sic h nich t meh r z u kümmern . Imme r wen n ic h glaubte , da ß diese Mädche n mi r nicht s meh r bedeuteten ,
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