Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Platz, wo die Tränen meiner Augen die Wellen dieses kleinen Bächleins anschwellen sollen, hier sollen meine immerwährenden tiefen Seufzer, immerwährend das Laub dieser Bergbäume bewegen, als Zeugen und Beweise der Qual, die mein tief zerschnittenes Herz erleidet. O ihr, wo ihr auch sein mögt, ländliche Gottheiten, die ihr in dieser unbewohnbaren Gegend euren Aufenthalt habt, o hört die Klagen des unglücklich Liebenden, den schwere Trennung und eingebildeter Argwohn hierher geführt haben, in dieser Wildnis zu jammern und über die Härtigkeit jener schönen Undankbaren zu klagen, jenem Preise, jener Krone aller menschlichen Schönheit. O ihr Napäen und Dryaden, die ihr in den dicken Wäldern der Gebirge wohnt (mögen die flüchtigen und wollüstigen Satyrn, die vergeblich gegen euch entbrannt sind, eure süße Ruhe nicht stören dürfen), o helft mir mein Unglück beweinen, oder mindestens sei es euch nicht entgegen, mir zuzuhören. O Dulcinea von Toboso, du Tag meiner Nacht, Glanz meiner Trübsale, Kompaß meines Weges, Stern meines Glückes (schenke dir der Himmel so gutes Glück, als du es dir nur selber wünschen magst), erwäge den Ort und den Zustand, zu dem mich die Trennung von dir geführt hat, o erwidere mir mit Güte, wie es meine Treue wohl verdient hat. O ihr einsamen Bäume, ihr zukünftigen Gesellschafter meiner Abgeschiedenheit, gebt mir mit dem sanften Rauschen eurer Zweige ein Zeichen, daß euch meine Gegenwart nicht lästig fällt. O du, mein Stallmeister, liebwerter Gefährte im Glück und Unglück, fasse nunmehr wohl in dein Gedächtnis auf, was du mich wirst verrichten sehen, damit du es jener wiedersagen und erzählen kannst, die die Ursache von allem ist.« – Und sowie er dieses sagte, stieg er vom Rosinante herunter, nahm ihm augenblicklich Zaum und Sattel ab, gab ihm mit der flachen Hand einen Schlag auf den Rücken und sagte: »Die Freiheit gibt dir der, der ohne Freiheit ist, o du Roß, so wunderbar in deinen Taten, wie unglücklich in deinem Schicksale: wandle wohin du willst, denn dir steht es auf der Stirne geschrieben, daß weder der Hippogryph des Astolfo dir an Flüchtigkeit gleichkommt noch der bekannte Frontin, der dem Bradamante so kostbar war.«
Wie Sancho dies sah, sagte er: »Es ist gut, daß uns einer der Mühe überhoben hat, dem Grauen den Sattel abzunehmen, sonst sollte es wahrhaftig so wenig fehlen, ihm einen Schlag mit der Hand zu geben, als Lobpreisungen herzusagen, wäre er aber auch zugegen, so litte ich es doch nicht, daß man ihm den Sattel herunternähme, denn ihn geht das nichts an, er ist auf keine Weise in die Liebhaberei mit verwickelt, ebensowenig in die Verzweiflung, denn so weit denke ich es mit Gottes Hilfe niemals zu bringen. Aber wahrhaftig, Herr Ritter von der traurigen Gestalt, wenn es mit meinem Abmarsch und Euren Unsinnigkeiten ein Ernst werden soll, so wäre es wohl besser, da der Graue weg ist, den Rosinante dafür wieder aufzuzäumen, denn sonst möchte die Zeit meines Abreisens und Wiederkommens lange währen, denn wenn ich den Weg zu Fuß mache, so weiß ich nicht, wenn ich da sein oder wiederkommen möchte, denn ich bin, um es kurz zu machen, ein schlechter Wandersmann.«
»Ich sage dir, Sancho«, antwortete Don Quixote, »richte es so ein, wie es dir gut deucht, denn deine Idee scheint mir nicht übel; ich sage ferner, daß du in drei Tagen abreisen sollst, während welcher Zeit du das, was ich tue und rede, beobachten sollst, damit du darüber Rede stehen kannst.«
»Was soll ich noch weiter sehen«, fragte Sancho, »als was ich schon gesehen habe?«
»Sauber hast du dich verrechnet«, antwortete Don Quixote, »ich habe noch gar nicht meine Kleider zerrissen, die Waffenstücke umhergestreut, ich bin noch nicht gegen diese Felsen mit Kopfstößen angerannt, so wie ich noch viele andere Dinge gleicher Art unterlassen habe, worüber du dich verwundern wirst.«
»Um Gottes Barmherzigkeit willen«, sagte Sancho, »sehen Euer Gnaden doch ja recht zu, wie Ihr es mit diesen Kopfstößen treibt, denn gegen einen solchen Felsen anzurennen, könnte so ablaufen, daß mit dem allerersten Kopfstoß die ganze schön ausgedachte Buße aus wäre. Ich wäre der Meinung, wenn Ihr doch ja diese Kopfstöße für so nötig achtet, und daß das Werk ohne sie nicht vollführt werden könne, daß Ihr Euch damit begnügtet, denn alles ist ja doch nur erdichtet und ein nachgemachtes Ding zum Spaße, daß Ihr Euch damit begnügtet, sage ich, Euch diese
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