Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Lotario antwortete ihm, daß er durchaus keinen neuen Versuch anstellen möchte, denn sie antworte so hart und rauh, daß er nicht das Herz habe, ihr noch ein einziges Wort zu wiederholen.«Ha! Lotario! Lotario!« rief Anselmo aus, »wie wenig entsprichst du deiner Pflicht und meinem Vertrauen! Ich habe dir heute durch die Öffnung jenes Schlosses zugesehen und bemerkt, wie du nicht ein einziges Wort zu Camilla gesagt hast, woraus ich annehme, daß du ihr noch das erste sagen sollst, und wenn dem so ist, wie du denn nicht leugnen kannst, warum hintergehst du mich oder warum suchst du mir durch deine List die Mittel zu nehmen, die doch nur die einzigen sind, um mein Vorhaben auszuführen?«
Mehr sagte Anselmo nicht, aber dies war schon genug, um Lotario betroffen zu machen und in Verwirrung zu bringen, der es nun für eine Ehrensache hielt, daß man ihn als Lügner erfunden hatte, und dem Anselmo schwur, von diesem Augenblicke das Geschäft zu seiner Zufriedenheit auf sich zu nehmen, und ihn nicht zu belügen, wie er sehen würde, wenn er ihn mit größter Aufmerksamkeit beobachte; daß es aber nicht nötig sei, ihn weiter anzutreiben, denn er denke ihm nun so zu willfahren, daß ihm kein Mißtrauen mehr übrigbleiben solle. Anselmo glaubte ihm, und um ihm die Gelegenheit sicherer zu machen, und jede Störung zu entfernen, entschloß er sich, auf acht Tage sein Hause zu verlassen, und sich zu einem Freund zu begeben, der in einem Dorfe, nicht weit von der Stadt wohnte. Diesen Freund studierte er dahin ein, daß er ihn sehr dringend einladen mußte, um vor Camilla einen Vorwand seiner Abreise zu haben. Unglücklicher und unvorsichtiger Anselmo! Was tust du? Was unternimmst du? Was ordnest du an? Bedenke, daß du alles gegen dich selbst tust, deine Entehrung unternimmst, deinen Untergang anordnest. Deine Gattin ist edel, in Frieden besitzest du sie, nichts stört dein Vergnügen, ihre Gedanken überschreiten nicht die Wände ihres Hauses, du bist ihr Himmel auf Erden, das Ziel ihrer Wünsche, der Inbegriff ihrer Freuden und der Mittelpunkt, aus dem sie ihren Willen empfängt, stets mit dir und dem Himmel übereinstimmend. Wenn dir nun die Goldmine ihrer Schönheit, Tugend und Sittsamkeit freiwillig alle Schätze liefert, die sie nur besitzt und die du wünschen kannst, warum willst du denn die Erde umgraben und neue Adern eines neuen und nie gesehenen Schatzes suchen, indem du dich der Gefahr aussetzest, daß alles versinke, denn es wird ja nur auf den zerbrechlichen Säulen der angeborenen Schwachheit erhalten? Bedenke, daß dem, der das Unmögliche sucht, recht geschieht, wenn ihm das Mögliche versagt wird, wie es schöner ein Poet in folgenden Versen sagt:
In dem Tode will ich leben,
In der Krankheit Wohlbefinden,
Freiheit in dem Kerker finden,
Ausgang, soll Verschloßnes geben,
Bosheit dem Verräter schwinden:
Doch mein Glück, so muß ich klagen,
Läßt mir keine Hoffnung wagen,
So des Himmels Satzung steht,
Wer Unmögliches gefleht,
Will er Mögliches versagen.
Am folgenden Tage reiste Anselmo nach dem Dorfe ab, nachdem er vorher Camilla gesagt hatte, daß während seiner Abwesenheit Lotario kommen würde, um nach dem Hause zu sehen und mit ihr zu essen, und daß sie Sorge tragen möchte, ihm so zu begegnen, als wenn er es selber wäre. Camilla, als eine verständige und sittsame Frau, war über diesen Befehl betrübt, den der Mann ihr zurückließ und antwortete ihm, wie er bedenken möchte, daß es nicht schicklich sei, wenn in seiner Abwesenheit irgend jemand seine Stelle am Tische einnähme; täte er es deshalb, weil er nicht das Vertrauen zu ihr habe, daß sie das Haus regieren könne, so möchte er sie nur diesmal auf die Probe stellen, und er würde aus der Erfahrung sehen, wie sie wohl größeren Sorgen gewachsen sei. Anselmo versetzte, daß es sein Wille so sei, und daß ihr nichts weiter zukomme, als stillschweigend zu gehorchen. Camilla antwortete, daß sie es tun wollte, ob es gleich gegen ihre Neigung sei.
Anselmo reiste ab, und am folgenden Tage stellte sich Lotario ein, der von Camilla freundlich aufgenommen wurde; sie hatte sich so eingerichtet, daß sie niemals mit Lotario allein sein wollte, denn immer war ein Gefolge von Dienern und Dienerinnen zugegen, vorzüglich aber ein Mädchen mit Namen Leonella, auf die sie viel hielt, weil sie beide von Kindheit auf in Camillas väterlichem Hause miteinander aufgewachsen waren, und sie sie bei ihrer Vermählung in Anselmos Haus mit sich gebracht
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