Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
sie auch gleich anzusehen ekelhaft sind, geschweige zu verschlucken. So ist bei mir eben auch ein künstliches Mittel nötig, damit ich genese, und das kann leicht dadurch geschehen, daß du nur den Anfang machst, dich um Camilla zu bemühen, wenn du es auch nur mit Langsamkeit und ohne Eifer tust; denn sie wird nicht so schwach sein, daß gleich bei den ersten Angriffen ihre Tugend erliegt, und schon mit diesem bloßen Anfange will ich zufrieden sein, und du hast dann zugleich das erfüllt, was du unserer Freundschaft schuldig bist, indem du mir nicht nur das Leben gegeben, sondern mich auch überzeugt hast, daß ich nicht ohne Ehre sei. Und schon aus einem Grunde bist du verpflichtet, es zu tun, denn in dieser Stimmung, in der du mich siehst, entschlossen diese Probe in Ausübung zu bringen, darfst du es nicht zugeben, daß ich einem anderen meine Verwirrung anvertraue, bei dem ich meine Ehre, die du erhalten willst, auf das Spiel setzen müßte, und was das betrifft, daß deine Ehre gekränkt würde, weil Camilla unrecht von dir denkt, solange du dich um sie bewirbst, so bedeutet dies wenig oder nichts, denn wenn wir sie so finden, wie wir hoffen, kannst du ihr in kurzem unseren ganzen Kunstgriff offen darlegen und sie wird dich dann ebenso hoch als vorher achten. Da du nun so wenig wagst, und du mir so große Freundschaft erzeigst, wenn du es wagst, so weigere dich nicht, es zu tun, wenn dir auch noch mehr Einwürfe beifallen sollten, denn wie ich schon gesagt, schon mit dem bloßen Anfange will ich die Sache für abgetan halten.«
Als Lotario Anselmos entschlossenen Willen sah und keine Beispiele mehr wußte, die er aufstellen, keine neuen Gründe, die er anführen könnte, damit er diesem nicht nachgäbe, dabei die Drohung hörte, daß er einem anderen seinen bösen Vorsatz an vertrauen wollte, so nahm er sich vor, um ein größeres Übel zu verhindern, ihn zufriedenzustellen und das zu tun, was er verlangte, mit dem Vorsatz, den Handel so zu führen, daß, ohne Camillas Gedanken zu ändern, Anselmo zufriedengestellt würde; er antwortete also, daß er niemand weiter seinen Gedanken mitteilen möchte, denn er wolle das Geschäft übernehmen und den Anfang machen, sobald es ihm gefiele. Anselmo umarmte ihn mit der heftigsten Zärtlichkeit, er dankte ihm für dies Anerbieten so, als wenn er die größte Wohltat von ihm empfangen hätte. Sie machten hierauf aus, daß er sogleich am folgenden Tage das Unternehmen beginnen solle, daß er ihm Zeit und Gelegenheit schaffen wolle, allein mit Camilla zu reden, auch wolle er ihm Geld und Juwelen geben, die er ihr als Geschenk anbieten könne; er riet ihm, Musik zu veranstalten, auch Verse zu ihrem Lobe zu schreiben, die er selber machen wolle, wenn es ihm zu mühsam dünke.
Lotario erbot sich zu allen Dingen, doch war seine Absicht ganz anders, als Anselmo denken konnte; sie begaben sich hierauf nach Anselmos Hause zurück, wo sie Camilla in Bekümmernis fanden, die ihren Gemahl erwartete, denn er war an diesem Tage länger ausgeblieben, als er sonst zu tun pflegte.
Lotario ging nach seinem Hause und Anselmo war in dem seinigen so vergnügt, wie Lotario tiefsinnig war, indem er nicht wußte, wie er es anfangen sollte, um sich aus diesem fürwitzigen Handel zu wickeln; in derselben Nacht aber ersann er noch eine Weise, wie er Anselmo hintergehen wollte, ohne Camilla zu beleidigen, und am folgenden Tage ging er zu Mittag zu seinem Freunde und wurde von Camilla freundlich aufgenommen, die ihn gern bei sich sah, weil sie wußte, wie hoch er von ihrem Gemahl gehalten wurde. Als sie abgegessen hatten und man die Tafel aufhob, sagte Anselmo zu Lotario, daß er bei Camilla bleiben möchte, indessen er ein nötiges Geschäft zustande bringe, daß er aber in anderthalb Stunden zurückkehren würde. Camilla bat ihn, sich nicht zu entfernen, und Lotario erbot sich, ihm Gesellschaft zu leisten, aber Anselmo willigte nicht ein, sondern quälte Lotario, dort zu verweilen und ihn zu erwarten, denn er habe nachher etwas Wichtiges mit ihm zu sprechen; ebenso sagte er auch zu Camilla, daß sie Lotario nicht bis zu seiner Zurückkunft allein lassen möchte; kurz, er wußte die Wichtigkeit oder Nichtigkeit seines Ausgehens so dringend vorzustellen, daß man ihm die Verstellung nicht ansehen konnte.
Anselmo ging fort, und Camilla und Lotario blieben am Tische allein, denn die übrige Dienerschaft hatte sich wegbegeben, um zu essen. Da sah sich Lotario nun auf dem Kampfplan, den ihm sein
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