Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
er ihm hatte widerfahren lassen, daß sie ihn aus jenem verwickelten Labyrinth erlöst, in welchem er so leicht seine Ehre und seine Seele auf das Spiel setzen konnte, und kurz, alle, die in der Schenke waren, waren sehr zufrieden und über den glücklichen Ausgang vergnügt, welchen alle Leiden und Widerwärtigkeiten gewonnen hatten. Der Pfarrer brachte, als ein verständiger Mann, alles in sein völliges Gleichgewicht, er wünschte jedem besonderes Glück, sein Heil gefunden zu haben, am meisten aber frohlockte die Wirtin, weil ihr der Pfarrer und Cardenio das Versprechen gegeben hatten, allen Schaden, den sie um Don Quixotes willen erlitten, mit Zinsen zu ersetzen.
Nur Sancho war, wie gesagt, betrübt, mutlos und nie der geschlagen, und mit diesem melancholischen Aussehen trat er zu seinem Herrn hinein, der eben aufgewacht war, und sagte: »Ihr könnt nun, gnädiger Herr Traurige Gestalt, so lange schlafen, als Ihr nur Lust habt, ohne Euch darum zu kümmern, einen Riesen totzuschlagen oder die Prinzessin in ihr Reich einzusetzen, denn alles ist schon getan und vollbracht.«
»Das ist mir wohl glaublich«, antwortete Don Quixote, »denn ich habe mit dem Riesen die schrecklichste und entsetzlichste Schlacht gehalten, die ich nur in der ganzen Zeit meines Lebens zu halten gedenke, mit einem Hiebe schwapp! schmiß ich ihm den Kopf auf die Erde, und das hervorströmende Blut war so stark, daß es nur über den Boden wie Wasser weglief.«
»Daß es wie roter Wein weglief, solltet Ihr richtiger sagen«, antwortete Sancho, »denn Ihr müßt wissen, wenn es Euch nicht schon bekannt ist, daß der umgebrachte Riese ein zerstochener Schlauch ist, das Blut war einhundert Kannen roter Wein, die er im Leibe hatte, und der abgehauene Kopf ist die Hure, die mich geboren hat, und alles zusammen mag nun der Satan holen!«
»Was spricht denn der Narr?« erwiderte Don Quixote; »bist du bei Sinnen?«
»Steht nur auf«, sagte Sancho, »so werdet Ihr wohl die schöne Bescherung sehen, die Ihr angerichtet habt, und was wir alles zu bezahlen haben, und wie sich die Königin in eine gewöhnliche Dame Dorothea verwandelt hat, nebst anderen Begebenheiten, die, wenn Ihr sie nur gewahr werdet, Euch in Erstaunen setzen sollen.«
»Über nichts werde ich mich verwundern«, erwiderte Don Quixote, »denn wenn du dich anders erinnerst, so sagte ich dir, als wir uns jüngst hier befanden, daß alles, was uns hier zustieß, nur Dinge der Bezauberung seien, und es wäre nichts Sonderliches, wenn es sich jetzt wieder also fände.«
»Das würde ich alles glauben«, antwortete Sancho, »wenn meine Prellerei auch ein Ding der Art gewesen wäre, aber das war sie nicht, sondern sehr wirklich und äußerst wahrhaftig, ich sah selbst, wie der Wirt, der sich noch gegenwärtig hier befindet, den einen Zipfel des Bettuches hielt und mich mit großer Freude und Fröhlichkeit in den Himmel schmiß, wobei ich sein Lachen ebenso hörte, wie ich seine große Stärke spürte, und wenn man so die Personen kennt, so denke ich bei mir, ob ich gleich nur ein einfältiger Mensch und armer Sünder bin, daß da nichts von Zauberei daruntersteckt, sondern alles nur Prellerei und schlimmes Glück ist.«
»Nun wohlauf, Gott wird uns beistehen«, sagte Don Quixote, »gib mir meine Kleider, und ich will alsbald hinaustreten und alle Begebenheiten und Verwandlungen ansehen, von welchen du sprichst.«
Sancho half ihn ankleiden, und während dieser Zeit erzählte der Pfarrer dem Don Fernando und den übrigen von den Torheiten des Don Quixote und welche List sie gebraucht hätten, um ihn von dem Felsen Armut herunterzulocken, wohin er sich in der Einbildung begeben, er sei von seiner Dame verschmäht; er erzählte ihnen zugleich die Abenteuer, die er von Sancho erfahren hatte, worüber sie sich nicht wenig verwunderten und sehr lachten, denn allen schien dies die ausschweifendste Art des Wahnsinns, die nur jemals ein zerrüttetes Hirn einnehmen könne. Der Pfarrer fuhr fort, daß, da das gute Glück der Señora Dorothea nun hindere, seinen ersten Vorsatz weiter durchzuführen, müsse man jetzt etwas Neues ersinnen, um ihn nach seiner Heimat zurückzubringen. Cardenio schlug vor, im ersten Anschlage fortzufahren und daß Lucinde nunmehr die Rolle der Dorothea darstellen könne.
»Nein«, sagte Don Fernando, »das ist unnötig, ich will, daß Dorothea ihre Rolle fortsetze, denn da wir von hier nach dem Wohnorte des guten Ritters nicht weit haben, so wird es mir ein
Weitere Kostenlose Bücher