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Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miguel Cervantes Saavedra
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Verschleierte antwortete nicht, sondern sie stand auf, legte die Hände kreuzweis über die Brust und neigte den Kopf und den Körper zum Zeichen ihres Dankes. Aus ihrem Stillschweigen schlossen sie, daß sie eine Mohrin sein müsse und die christliche Sprache nicht reden könne. Indem trat der Gefangene hinzu, der indes anders beschäftigt gewesen war; als er sah, daß sie alle die Fremde umgaben und diese auf ihr Anreden nichts erwiderte, sagte er: »Dies Mädchen, meine Damen, versteht unsere Sprache kaum, denn sie ist nur mit ihrer Landessprache vertraut, und deshalb kann sie auf nichts antworten, was sie gefragt wird.«
    »Wir fragen sie nichts«, antwortete Lucinde, »wir bieten ihr nur für diese Nacht unsere Gesellschaft und einen Teil unseres Gemaches an, wo wir ihr alle hier mögliche Bequemlichkeiten mitteilen wollen, sowie wir ihr gern alle Dienste leisten, die Fremde, besonders Frauen, erwarten dürfen.«
    »Für sie und für mich«, antwortete der Gefangene, »küsse ich Euch, Señora, die Hände, ich kenne diese Güte so, wie ich soll, denn ich sehe, daß ich vornehmen und edlen Damen verbunden bin.«
    »Sagt mir, Señor«, fragte Dorothea, »ist diese Señora Christin oder Mohrin? denn aus ihrer Kleidung und ihrem Stillschweigen schließen wir, daß sie das ist, was wir lieber nicht von ihr wünschten.«
    »Sie ist Mohrin in Ansehung ihrer Tracht und im Körper, aber in der Seele ist sie eine Christin, denn ihr größter Wunsch ist es, Christin zu werden.«
    »So ist sie nicht getauft?« fragte Lucinde.
    »Noch hat die Gelegenheit dazu gefehlt«, antwortete der Gefangene, »seit wir Algier, ihr Vaterland, verlassen haben, und sie ist noch in keiner so dringenden Lebensgefahr gewesen, daß man sie hätte taufen müssen, ohne daß sie alle die Zeremonien kannte, die unsere Mutter, die heilige Kirche, befiehlt; aber mit Gottes Hilfe wird sie mit allen jenen Feierlichkeiten getauft werden, die ihr Stand erfordert, denn sie ist vornehmer, als sie nach ihrer oder meiner Kleidung scheint.«
    Nach diesen Worten wurden alle Umstehenden neugierig, zu erfahren, wer die Mohrin und der Gefangene sei; aber keiner wollte ihn fragen, weil es ihm nötiger schien zu ruhen, als seinen Lebenslauf zu erzählen. Dorothea nahm sie bei der Hand und ließ sie neben sich niedersetzen, worauf sie sie bat, daß sie den Schleier abnehmen möchte. Sie sah den Gefangenen an, als wenn sie ihn fragte, was jene sage und was sie tun solle. Er sagte ihr auf arabisch, daß sie gebeten würde, den Schleier abzunehmen und daß sie es tun möchte; sie nahm hierauf den Schleier ab und enthüllte ein so schönes Angesicht, daß Dorothea sie schöner als Lucinde, und Lucinde sie schöner als Dorothea fand, und alle Umstehenden fällten das Urteil, daß, wenn sich jemand mit den beiden vergleichen dürfe, es die Mohrin sei, ja einige gaben ihr noch in manchen Dingen den Vorzug. Da die Schönheit nun immer die Gewalt hat, die Gemüter zu fesseln, so beeiferten sich alle sogleich, der schönen Mohrin zu dienen und sich ihr gefällig zu machen.
    Don Fernando fragte den Gefangenen, wie die Mohrin heiße. Er antwortete: Lela Zorayda; wie sie dies hörte und merkte, was der Christ gefragt habe, rief sie eilig und mit sehr zierlichem Eifer: »Nein, nein Zorayda, Maria, Maria«, wodurch sie zu verstehen geben wollte, daß sie Maria und nicht Zorayda heiße.
    Diese Worte und der große Eifer, mit dem die Mohrin sie sagte, rührten einige von den Umstehenden bis zu Tränen, besonders die Frauen, die von Natur zart und mitleidig sind. Lucinde umarmte sie mit inniger Liebe und sagte: »Ja, ja, Maria.« Worauf die Mohrin antwortete: »Ja, ja, Maria, Maria! Zorayda macange!«, welches soviel als nein bedeutet.
    Indem war es Abend geworden, und auf Veranstaltung derjenigen, die mit Don Fernando gekommen waren, hatte der Wirt mit aller Sorgfalt eine Abendmahlzeit zubereitet, so gut er sie nur schaffen konnte. Als es nun Zeit zum Essen geworden, setzten sich alle um einen breiten Wandtisch, denn ein runder oder viereckiger Tisch war nicht in der Schenke; die Haupt- und vornehmste Stelle, so sehr er sich auch weigerte, wurde dem Don Quixote gegeben, der die mikomikonische Fürstin zu seiner Seite haben wollte, weil er ihr Beschützer sei. Darauf setzten sich Lucinde und Zorayda und gegenüber Don Fernando und Cardenio, dann der Gefangene und die übrigen Ritter, an der Seite der Damen der Pfarrer und der Barbier. So aßen sie sehr vergnügt und ergötzten sich

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