Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
gedankt«, sagte der Gefangene, »denn nach meinem Gefühl gibt es auf Erden kein größeres Glück, als die verlorene Freiheit wieder erlangen.«
»Ich kenne auch«, versetzte der Ritter, »die Sonette, die mein Bruder damals dichtete.« »So rezitiert Ihr sie lieber«, sagte der Gefangene, »denn Ihr werdet das besser können als ich.« »Sehr gern«, antwortete der Ritter, »das auf Goleta war folgendes.«
40. Kapitel
In welchem die Geschichte des Gefangenen fortgesetzt wird.
Sonett
Glorreiche Seelen, die dem Leib entrücket
Frei, unverhöhnt, durch herrliches Vollbringen
Dürft’ ihr euch auf von niedrer Erde schwingen,
Wo euch des Himmels höchster Lohn beglücket.
Im Zorn entbrannt, in Andacht hoch entzücket,
Ließt ihr den Leib in allen Kräften ringen,
Das eigne Blut und fremdes darzubringen,
Das nahes Meer und sand’ge Flur geschmücket.
Das Leben wohl, der Mut war nicht entwichen
Den müden Armen, wo ihr sankt im Sterben,
Besiegt, seid ihr die Sieger doch im Streiten.
Ja, euer Fall, die ihr so schön erblichen
Hier zwischen Mau’r und Schwert, muß euch erwerben
Den Ruhm der Welt, des Himmels Herrlichkeiten.
»Gerade so ist mir das Gedicht bekannt«, sagte der Gefangene.
»Das auf das Fort, wenn ich nicht irre«, fuhr der Ritter fort, »lautete also:
Sonett
Von diesem wüsten, unfruchtbaren Sand,
Von diesen Türmen, die am Boden liegen,
Dreitausend heil’ge Kriegerseelen stiegen
Glorreich empor zum bessern Vaterland.
Es mußte sich zuvor die tapfre Hand
In manche kriegerische Übung fügen,
Ermattet dann die kleine Schar erliegen,
Als sie des Schwertes Schneide überwand.
Dies ist der Boden, der berühmt gewesen
Durch tausend unglücksvolle schwere Leiden,
In vor’ger Zeit und auch in unsern Jahren:
Doch wurden seinem Schoße zu den Freuden
Des Himmels rein’re Seelen nie erlesen,
Nie trug er Leiber, die so tapfer waren.«
Die Sonette gefielen allen und der Gefangene freute sich über die guten Nachrichten, die er von seinem Kameraden bekommen hatte, worauf er also in seiner Erzählung fortfuhr: »Als Goleta und das Fort übergegangen waren, gaben die Türken Befehl, Goleta zu schleifen (denn das Fort war so beschaffen, daß sich nichts niederzureißen vorfand), und um dies desto leichter und schneller zu bewerkstelligen, unterminierten sie es an drei verschiedenen Orten; aber die Stellen, die am schwächsten geschienen hatten, wollten davon durchaus nicht auffliegen, nämlich die alten Mauern, was aber von der neuen Befestigung stehen geblieben war, welche von Fratin herrührten, wurde mit großer Leichtigkeit der Erde gleichgemacht.
Triumphierend kehrte nun die siegreiche Flotte nach Konstantinopel zurück, wo nach einigen Monaten mein Herr Uchali starb, den sie Uchali Fartax nannten, welches in türkischer Sprache so viel heißt als der grindige Renegat, denn dies war er wirklich, und es ist unter den Türken Sitte, von irgendeinem Fehler oder einer Vorzüglichkeit einen Beinamen abzuleiten. Dies geschieht deshalb, weil sie nur vier Familiennamen haben, die aus dem ottomanischen Hause herstammen, im übrigen aber nehmen sie, wie schon gesagt, einen Beinamen von irgendeinem körperlichen Fehler, oder auch von einer Vortrefflichkeit des Geistes an. Dieser Grindige war Sklave des Großsultans und diente diesem über vierzehn Jahre als Ruderknecht, in einem Alter von vierunddreißig Jahren wurde er abtrünnig aus Verdruß über einen Türken, der ihm am Ruder eine Ohrfeige gegeben hatte, und um sich rächen zu können, verließ er seinen Glauben. Seine Tapferkeit war so groß, daß er, ohne sich der schändlichen Mittel und Wege zu bedienen, die selbst die vertrauten Freunde des Großsultans gehen müssen, König von Algier wurde, und nachher General zur See, welches die dritte Würde im Reiche ist. Er war aus Kalabrien gebürtig, und übrigens ein Mensch von guten Eigenschaften, denn er behandelte seine Sklaven, deren über dreitausend waren, mit vieler Menschlichkeit; diese teilte er in seinem Testamente zwischen dem Großherrn (der rechtmäßig alle beerbt, die sterben, und mit den Kindern des Vestorbenen zu gleichen Teilen geht) und zwischen seinen Renegaten. Ich wurde einem venetianischen Renegaten zuteil, der Bootsknecht gewesen war und den Uchali gefangen hatte, und ihn so sehr liebte, daß er ihn fast allen seinen jungen Leuten vorzog; dieser wurde der grausamste Renegat, den ich nur jemals gesehen habe. Er hieß Azan Aga, wurde sehr reich und nachher König von Algier, wohin ich mit
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