Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
sogleich diese schöne Dame in Freiheit setzen sollt, deren Tränen und traurige Haltung genugsam zeugen, daß ihr sie gegen ihren Willen entführt und irgendeine schwere Übeltat verbrochen haben müßt; ich aber bin in die Welt gekommen, um aller dergleichen Ungebühr zu steuern, und werde es nicht dulden, daß ihr einen Schritt weiter geht, ohne ihr vorher, wie sie verdient, die erwünschte Freiheit zu geben.«
Alle, die diese Reden hörten, fielen nun darauf, daß Don Quixote ein verrückter Mensch sein müsse, worauf sie mit größter Heftigkeit an zu lachen fingen, welches Lachen Öl zu dem Zornfeuer desselben schüttete; denn ohne ein Wort weiter zu sagen, nahm er das Schwert und hieb auf die Trage ein. Einer von den Trägern überließ seinen Gefährten die Last und stellte sich dem Don Quixote entgegen, indem er seine Gabel oder Stütze aufhob, indes die anderen die Bahre trugen. Diesem gab Don Quixote einen solchen Hieb, daß die Gabel entzweisprang, mit dem Überreste aber, den jener in der Hand behielt, gab er dem Don Quixote einen so gewaltigen Schlag auf die Schulter, auf der Seite, wo er das Schwert führte (denn unmöglich konnte er sich gegen diese tölpische Kraft mit dem Schilde schirmen), daß der arme Don Quixote übel zugerichtet zu Boden stürzte. Sancho Pansa war keuchend hinter ihm hergelaufen, und da er ihn nun niedergestürzt sah, schrie er dem Prügelnden zu, er möchte ihn nicht weiter schlagen, denn er sei ein armer verzauberter Ritter, der noch zeit seines ganzen Lebens keinem Menschen etwas zuleide getan habe. Was aber den Bauer am meisten zurückhielt, war nicht die Stimme Sanchos, sondern weil er sah, daß Don Quixote weder Hand noch Fuß mehr rührte, er glaubte also, er habe ihn umgebracht, hob eilig sein Gewand auf und floh über das Feld wie eine Gemse.
Jetzt kam auch Don Quixotes Gesellschaft hinzu; da aber die von der Prozession jene herbeilaufen sahen, und mit ihnen die Häscher mit ihren Büchsen, so fürchteten sie eine üble Begegnung; sie stellten sich daher alle in einem Kreise um das Bild her, erhoben ihre Kapuzen, nahmen ihre Geißeln und die Priester ihre Leuchter, indem sie den Überfall mit dem festen Entschlusse erwarteten, sich tapfer zu verteidigen, ja selbst, wenn es möglich sei, ihre Feinde anzugreifen. Das Glück fügte es aber besser, als sie dachten; denn Sancho tat nichts weiter, als daß er sich auf den Körper seines Herrn warf und über ihn den kläglichsten und lächerlichsten Jammer anstellte, weil er ihn für tot hielt. Der Pfarrer wurde von dem anderen Pfarrer, der mit der Prozession ging, erkannt, wodurch denn der übrige Haufe völlig beruhigt wurde. Der erste Pfarrer erzählte dem anderen, wer Don Quixote sei, und er sowie die ganze Schar gingen nun hinzu, um zu sehen, ob der arme Ritter wirklich tot wäre; sie hörten hierauf den Sancho Pansa mit Tränen in den Augen folgendes sagen: »O du Blume der Ritterschaft, der du mit einem einzigen Knüppelschlage die Laufbahn deiner glorreichen Tage geendigt hast! O du Preis deines Geschlechtes, Ehre und Ruhm von la Mancha, ja der ganzen Welt, denn wenn du darin fehlen wirst, wird sie von Bösewichtern erfüllt, die nun keine Strafe mehr für ihre Bubenstücke fürchten! O du, so freigebig wie Alexander, denn für acht Monate Dienstbarkeit hast du mir die schönste Insel geschenkt, um die nur das Meer mit seinen Wellen fließt! O du Demütiger unter den Stolzen, du Hochmütiger unter den Demütigen, du Verächter der Gefahren, du Erdulder des Unglücks, Verliebter ohne Gegenstand, Nachahmer der Guten, Geißel der Bösen, Feind der Gemeinheit, kurz, du irrender Ritter, denn das heißt alles gesagt, was man nur sagen kann!«
Über das Geschrei und die Seufzer Sanchos kam Don Quixote wieder ins Leben, und das erste, was er sprach, war: »Derjenige, der von dir entfernt lebt, o süßeste Dulcinea, ist noch größeren Unglücksfällen unterworfen als diesen. Hilf mir, lieber Sancho, auf den verzauberten Karren, ich bin jetzt nicht dazu gemacht, mich auf Rosinantes Sattel zu halten, denn ich glaube, die Schulter ist mir in Stücke geschlagen.«
»Das will ich gar gern tun, gnädiger Herr«, antwortete Sancho, »wir wollen nach unserem Dorf in der Gesellschaft dieser Herren zurück, die Euer Bestes wünschen, und von da wollen wir auf einen neuen Auszug denken, der uns mehr Nutzen und Ruhm eintragen soll.«
»Du sprichst gut, Sancho«, antwortete Don Quixote, »denn es wird sehr klug getan sein, den bösen
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