Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
ohne auf die Stimme seines Edelknaben Sancho zu achten, der ihm noch immer nachrief, daß es ganz gewiß Windmühlen und nicht Riesen wären, was er angreifen wollte. Aber er war so fest von den Riesen überzeugt, daß er weder nach der Stimme seines Stallmeisters Sancho hörte, noch sich zu sehen bemühte, bis er dem Orte, wo sie standen, nahe gekommen war, worauf er mit lauter Stimme rief: »Entflieht nicht, ihr feigherzigen und niederträchtigen Kreaturen! Ein einziger Ritter ist es, der euch die Stirn bietet.« Zugleich erhob sich ein kleiner Wind, der die großen Flügel in Bewegung setzte; als Don Quixote dies gewahr ward, fuhr er fort: »Strecket ihr auch mehr Arme aus als der Riese Briareus, so sollt ihr es dennoch bezahlen!« Und indem er dies sagte und sich mit ganzer Seele seiner Gebieterin Dulcinea empfahl, die er flehte, ihm in dieser Gefährlichkeit zu helfen, wohl von seinem Schilde bedeckt, in der Rechten die Lanze, sprengte er mit dem Rosinante im vollen Galopp auf die vorderste Windmühle los und gab ihr einen Lanzenstich in den Flügel, den der Wind so heftig herumdrehte, daß die Lanze in Stücke sprang, Pferd und Reiter aber eine große Strecke über das Feld weg geschleudert wurden.
Sancho Pansa trabte mit der größten Eilfertigkeit seines Esels herbei, und als er hinzukam, fand er, daß Don Quixote sich nicht rühren konnte, so gewaltig war der Sturz, den Rosinante getan hatte.«Gott steh uns bei!« sagte Sancho, »sagte ich’s Euer Gnaden nicht, daß Ihr zusehen möchtet, was Ihr tätet, und daß es nur Windmühlen wären, die ja auch jeder kennen muß, wer nicht selber welche im Kopfe hat!« – »Gib dich zur Ruhe, Freund Sancho«, antwortete Don Quixote, »das ist Kriegsglück, das am meisten von allen Dingen einem ewigen Wechsel unterworfen ist; um so mehr, da ich glaube, und es auch gewiß wahr ist, daß eben der weise Freston, der mir mein Zimmer und meine Bücher geraubt hat, mir auch jetzt diese Riesen in Mühlen verwandelt, um mir den Ruhm ihrer Besiegung zu entreißen. So groß ist die Feindschaft, die er zu mir trägt! Aber endlich, endlich wird er doch mit allen seinen Künsten nichts gegen die Tugend meines Schwertes vermögen!«
»Gott mag es so fügen«, antwortete Sancho Pansa, indem er sich bemühte, ihn aufzurichten; worauf er ihn auf den Rosinante setzte, dessen Glieder ausgerenkt waren, und so verfolgten sie, indem sie sich von dem überstandenen Abenteuer unterhielten, den Weg nach dem Hafen Lapice. Dort, meinte Don Quixote, müsse es viele und mancherlei Abenteuer geben, weil es ein so besuchter Ort sei; über den Verlust seiner Lanze war er sehr betreten, und indem er darüber mit seinem Edelknaben sprach, sagte er: »Ich erinnere mich, gelesen zu haben, daß ein spanischer Ritter, Diego Perez de Vargas genannt, als in einer Schlacht sein Schwert zersprang, er einen gewaltigen Zweig oder Ast von einer Eiche riß, und mit diesem an selbigem Tage solche Taten verrichtete und so viele Mohren zerschlug, daß er den Zunamen des Zerschlägers annahm, von welcher Begebenheit sich auch späterhin seine Nachkommen Vargas und Zerschläger nannten. Dieses wird darum erzählt, weil auch ich von der ersten Steineiche einen Zweig abzureißen gedenke, der gerade so gewaltig ist wie jener, und mit welchem ich mir solcherlei Taten zu tun in den Sinn gesetzt, daß du dich glücklich preisen wirst, dazu auserlesen zu sein, sie anzuschauen und ein Zeuge von Dingen zu werden, die man kaum wird glauben können.«
»Das gebe Gott!« sagte Sancho, »ich glaube auch alles, wie es Euer Gnaden da erzählt, aber setzt Euch doch ein bißchen gerade, denn mir dünkt, Ihr hängt so auf der Seite; das ist gewiß noch ein Malzeichen von dem Falle.«
»Es ist wahr«, antwortete Don Quixote, »und wenn ich aus Schmerz nicht klage, so geschieht es nur, weil es irrenden Rittern nicht ziemlich ist, über irgendeine Wunde zu klagen, und wenn selbst die Eingeweide hindurchkämen.«
»Wenn dem so ist, so läßt sich nichts dagegen sagen«, antwortete Sancho, »aber das weiß Gott, daß Ihr mir eine Liebe tätet, wenn Ihr klagtet, falls es Euch irgendwo weh tut; von mir kann ich versichern, daß ich mich über den allerkleinsten Schmerz beklage, wenn er sich nicht auf die Stallmeister der irrenden Ritter ebenfalls erstreckt, daß sie nicht klagen dürfen.«
Don Quixote mußte über die Einfalt seines Stallmeisters lachen und antwortete, daß er sich beklagen könne, wie und wie oft es ihm beliebe, denn
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