Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
zwischen die Schneide meines Schwertes und die Kraft meines Armes stellte, und so den gerechten Zorn meines Herzens mäßigte, und auf diese Weise sein Leben erhielte, welches er mir durch Hinterlist und Falschheit hatte rauben wollen. Zur Bestätigung dessen weißt du ja selbst, Sancho, aus eigener Erfahrung, die dich nicht täuschen oder belügen kann, wie leicht es den Zauberern ist, ein Angesicht in ein anderes zu verwandeln, das Schöne häßlich und das Häßliche schön zu machen; denn es sind noch nicht zwei Tage, als du mit deinen eigenen Augen die Schöne und Herrlichkeit der unvergleichlichen Dulcinea in ihrer eigentlichen Gestalt und unverändert wahrnahmst, ich aber sah nur die Häßlichkeit und Gemeinheit einer schmutzigen Bäuerin, mit triefenden Augen und einem üblen Geruche aus dem Munde. Dem schändlichen Zauberer, der es sich unterfing, eine so schreckliche Verwandlung vorzunehmen, ist es nichts Sonderliches, diejenige des Simson Carrasco und deines Gevatters zu veranstalten, um mir den Ruhm des Sieges aus den Händen zu reißen; dennoch aber bin ich getröstet, denn welche Gestalt er auch angenommen, so bin ich doch immer Sieger meines Feindes geblieben.«
»Gott weiß die Wahrheit von allem«, antwortete Sancho. Da er wußte, daß die Verwandlung der Dulcinea eine Schelmerei und List von ihm gewesen, so überzeugten ihn die Hirngespinste seines Herrn nicht sonderlich; er wollte aber nichts erwidern, um nicht irgendein Wort fallen zu lassen, welches seinen Betrug hätte entdecken können.
Indem sie noch so sprachen, wurden sie von einem Manne eingeholt, der hinter ihnen des nämlichen Weges auf einer Stute, einem sehr schönen Apfelschimmel, geritten kam. Er trug einen Mantel von feinem grünen Tuche, mit bräunlichem Samt besetzt, und eine Mütze von demselben Zeuge. Die Decke der Stute war lang herunterhängend, und der Sattel mit kurzen Bügeln, ebenfalls grün und braungelb. Er trug einen maurischen Säbel, der an einem breiten Bandelier von Grün und Gold bing, und die Halbstiefeln waren ebenso wie das Bandelier gearbeitet. Die Sporen waren nicht vergoldet, sondern mit einem grünen Firnis bezogen, aber so blank und poliert, daß sie kostbarer erschienen, da sie zur ganzen Kleidung paßten, als wenn sie von reinem Golde gewesen wären. Als der Reisende zu ihnen gekommen war, grüßte er sie höflich, spornte dann die Stute und ritt vorbei; aber Don Quixote sagte zu ihm: »Edler Herr, wenn Euer Weg der nämliche ist wie der unsrige, und es Euch nicht darauf ankommt, zu eilen, so würde ich es als eine Gnade ansehen, wenn wir miteinander ritten.«
»Gewiß«, antwortete der auf der Stute, »ich würde nicht so vorbeieilen, wenn ich nicht fürchtete, daß durch die Gegenwart meiner Stute Euer Pferd wild werden möchte.«
»Ihr könnt, gnädiger Herr«, antwortete hierauf Sancho, »Ihr könnt nur immer anhalten; denn unser Pferd ist das sittlichste und wohlerzogenste auf der ganzen Welt. Niemals hat es bei ähnlichen Gelegenheiten etwas Unschickliches begangen; ein einziges Mal wollte es die Probe machen, und da mußten mein Herr und ich die Zeche bezahlen. Ich sage noch einmal, daß Ihr nur anhalten dürft, wenn Ihr wollt; denn wenn man sie ihm auch auf einem Teller präsentierte, so würde der Gaul sie doch nicht berühren.«
Der Reiter hielt den Zügel an und verwunderte sich über die Gestalt und das Gesicht des Don Quixote, das nicht mit dem Helme bedeckt war; denn Sancho führte diesen wie einen Mantelsack an dem vorderen Sattelbogen seines Grauen mit sich. Beschaute aber der Grüne Don Quixote sehr aufmerksam, so beschaute hinwiederum Don Quixote den Grünen noch viel aufmerksamer, den er für einen Mann von Stande hielt. Sein Alter mochte ungefähr vierzig Jahre betragen; er hatte nur wenige graue Haare und ein Gesicht mit einer Adlernase; seine Miene war nicht fröhlich und nicht ernsthaft; kurz, seine Tracht und seine Gestalt bewiesen, daß er ein wohlhabender Mann sein müsse. Was der Grüne von Don Quixote von la Mancha urteilte, war: daß er dergleichen Aufzug noch diese Art von einem Manne niemals gesehen hätte. Er bewunderte die Länge des Pferdes, die Größe seines Körpers, die Dürre und Bleichheit seines Gesichts, seine Waffen, seine Stellung und sein Betragen; eine Gestalt und ein Bild, das seit ewigen Zeiten nicht in jenen Gegenden war gesehen worden.
Don Quixote bemerkte die Aufmerksamkeit recht gut, mit welcher ihn der Reiter beschaute; und da er darin seinen
Weitere Kostenlose Bücher