Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
sie gegen das Kastell; in demselben Augenblicke fielen auch alle Wände herunter, und die Jungfrau stand frei und schutzlos da. Alsbald kam der Vorteil mit den Personen seiner Truppe; sie warfen ihr eine große goldene Kette um den Hals und schienen sie gefangen nehmen und mit sich fortführen zu wollen. Als Amor und seine Begleiter dies wahrnahmen, machten sie einen Angriff, sie zu befreien, und alles, was sie zu tun versuchten, geschah nach dem Klange des Tamburins, indem alle vereinigt tanzten und sich nach der Musik gemeinschaftlich bewegten. Die Wilden brachten sie hierauf alle zum Frieden; denn sie eilten sehr schnell herbei, die Wände des Kastells wieder aufzurichten. Hierauf wurde die Jungfrau von neuem darin eingeschlossen, womit sich denn das Ballett zum großen Vergnügen aller Zuschauer endigte.
Don Quixote fragte eine von den Nymphen, wer es erfunden und angeordnet habe. Sie antwortete: ein Benefiziat aus dem Dorfe, der ein großes Geschick zu dergleich Erfindungen besitze.
»Ich will wetten«, sagte Don Quixote, »daß dieser Bakkalaureus oder Benefiziat mehr ein Freund des Camacho als des Basilio ist, und daß er die Satire mehr als die Vesper studiert. Er hat die Geschicklichkeiten des Basilio und die Reichtümer des Camacho in dem Tanze gut angebracht!«
Sancho Pansa, der alles hörte, sagte: »Die Wurst ist mein König; ich halte es mit Camacho!«
»Immer«, sagte Don Quixote, »kommt es doch, o Sancho, heraus, daß du ein gemeiner Kerl bist, und daß deine Losung heißt: der soll leben, der den Sieg behält!«
»Ich weiß nicht, was ich bin«, antwortete Sancho; »aber das weiß ich wohl, daß ich von Basilios Töpfen niemals so herrlichen Schaum abgeschöpft hätte, wie der ist, den ich von Camachos hier bekommen habe.« Er wies dabei auf seine Gänse und Hühner; und indem er ein Stück davon nahm, fing er mit vieler Anmut und großem Appetit zu essen an und fuhr fort: »Schade was um Basilios Geschicklichkeiten! Du bist so viel wert, als du hast, und du hast so viel, als du wert bist. Es gibt nur zwei Familien in der Welt, wie meine Großmutter sagte, Haben und Nichthaben, und sie hielt es mit dem Haben; und heutzutage, mein gnädiger Herr Don Quixote, ist Barschaft besser als Gelahrschaft. Ein Esel mit Gold bedeckt sieht besser aus als ein Pferd, das einen Eselsattel auf hat. Drum sage ich noch einmal, ich halte es mit Camacho, auf dessen Töpfen ein Schaum von Gänsen und Hühnern, Hasen und Kaninchen schwimmt, auf denen des Basilio aber, wenn wir’s beim Lichte besehen, oder wir schmecken’s auch wohl im Dunkeln, daß es nur das klare Wasser ist.«
»Bist du endlich mit deiner Rede fertig, Sancho?« fragte Don Quixote.
»Ich will hiermit fertig sein«, antwortete Sancho, »denn ich sehe, daß sie Euch Verdruß macht; sonst, wenn das nicht wäre, so wäre hieran wohl zugeschnittenes Zeug für drei Tage vorrätig.«
»Gebe nur Gott, Sancho«, versetzte Don Quixote, »daß ich dich noch stumm sehe, bevor ich sterbe.«
»Bei dem Leben, was wir führen«, antwortete Sancho, »kann es wohl kommen, daß ich noch, ehe Ihr sterbt, Erde kauen muß, und dann mag’s wohl sein, daß ich stumm bin, daß ich bis zum Ende der Welt kein Wort mehr spreche oder wenigstens nicht bis zum jüngsten Tage.«
»Wenn dieses auch geschieht, o Sancho«, antwortete Don Quixote, »so wird doch dein Stillschweigen nimmermehr das aufwiegen, was du in deinem Leben gesprochen hast, sprichst und sprechen wirst. Da es außerdem dem Gange der Natur gemäß ist, daß der Tag meines Todes früher als der deinige kommt, so darf ich niemals hoffen, dich stumm zu sehen, selbst nicht, wenn du trinkst oder schläfst, was das äußerste ist, was ich sagen kann.«
»Wahrhaftig, gnädiger Herr«, antwortete Sancho, »traut dem Knochenmanne nicht, ich meine den Tod, er frißt so gern Lämmlein wie Hämmlein; und ich habe unseren Pfarrer sagen hören, daß er mit gleichem Fuße an die hohen Türme der Könige tritt, wie an die niedrigen Hütten der Armen. Dieser Herr ist sehr gestrenge und ohne Umstände und nichts weniger als lecker; er frißt alles, und über alles ist er her; alle Arten von Leuten, von allen Altern und allen Ständen, stopft er in seinen Schnappsack. Er ist ein Schnitter, der auch in der Mittagshitze nicht schläft; er mäht und schneidet zu allen Stunden, so gut das trockene wie das grüne Gras. Es scheint gar nicht, daß er kaut, sondern er schlingt und würgt alles nur so hinunter, denn er hat einen
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