Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
sie nicht wie Blumen sein, sondern wie Dornen, die meine Seele stechen. Darum sollen sie so wenig wie irgend etwas anderes, das ihnen ähnlich sieht, in mein Gemach kommen, als ich fliegen kann. Will Eure Hoheit noch weiter fortfahren, mir Gnade zu erzeigen, die ich nicht verdiene, so erlaubt, daß ich mir selbst genüge und mich der Türen meines Inneren bediene, daß ich eine Mauer zwischen meine Begierden und meine Keuschheit setzte; diese Gewohnheit will ich nicht um jener Freigebigkeit willen verlieren, die Eure Hoheit mir erzeigen will, und mit einem Worte, lieber will ich in den Gewändern schlafen als zugeben, daß jemand mich entkleide.«
»Nicht weiter, nicht weiter, Herr Don Quixote«, versetzte die Herzogin, »für meine Person will ich die Anordnung treffen, daß auch nicht einmal eine Fliege in Euer Zimmer komme, viel weniger ein Mädchen; durch mich soll die Sittsamkeit des Herrn Don Quixote nicht gefährdet werden, denn, wie es mir jetzt einleuchtet, so ist diese Tugend unter allen seinen Vorzügen diejenige, welche am meisten hervorleuchtet. Entkleidet Euch, mein edler Herr, und zieht Euch an, allein und auf Eure Weise, wie und wann Ihr wollt, denn niemand wird Euch daran verhindern, darum sollt Ihr in Eurem Gemache die nötigen Gefäße finden, welche der braucht, der allein bei verschlossenen Türen schläft, damit Euch kein natürliches Bedürfnis sie zu öffnen zwinge. Es lebe durch ewige Zeiten die große Dulcinea von Toboso, und ihr Name sei über das Rund der Erde ausgebreitet, weil sie es verdiente, von einem so tapferen und tugendhaften Ritter geliebt zu werden, und die gütigen Himmel mögen dem Sancho Pansa, unserem Statthalter, das Verlangen einflößen, bald seine Büßungen zu vollenden, damit die Welt wie der die Schönheit einer so großen Dame genießen könne.«
Worauf Don Quixote sagte: »Eure Hoheit hat gesprochen ganz wie Ihr selbst, denn aus dem Munde edler Frauen kann nichts Unedles kommen, und Dulcinea wird dadurch in der Welt glückseliger und berühmter sein, daß sie von Eurer Hoheit geliebt ist, als durch alle jene Lobeserhebungen, die ihr die beredtesten Zungen der Erde erteilen könnten.«
»Nun denn, Herr Don Quixote«, versetzte die Herzogin, »die Stunde des Abendessens ist gekommen, und der Herzog wird uns erwarten; kommt, mein Herr, wir wollen speisen, damit Ihr Euch zeitig schlafen legen könnt, denn die Reise, die Ihr gestern nach Candaya machtet, war nicht so kurz, daß sie Euch nicht sollte einige Müdigkeit verursacht haben.«
»Ich empfinde gar keine, gnädige Frau«, antwortete Don Quixote, »denn ich darf Eurer Exzellenz schwören, daß ich zeit meines Lebens kein sanfteres Tier geritten habe, das einen besseren Pas gegangen wäre als dieser Zapfenhölzern, und ich begreife nicht, was den Malambruno bewegen konnte, sich einer so leichten und angenehmen Reitgelegenheit zu berauben und sie mir nichts dir nichts zu verbrennen.«
»Es läßt sich wohl denken«, antwortete die Herzogin, »daß er voll Reue über alles Böse, was er der Dreischleppina, ihren Gefährten und anderen Personen zugefügt hat, sowie über die Bosheiten, die er wohl als Hexenmeister und Zauberer muß ausgeübt haben, alle Werkzeuge seiner Kunst fortschaffen wollte, und als das vorzüglichste und das, welches ihm die meiste Unruhe machte, weil es ihn aus einem Lande in das andere trug, verbrannte er den Zapfen hölzern, damit durch dessen Asche und durch die Trophäe jenes Blattes der Ruhm des großen Don Quixote von la Mancha ewig gefeiert bleibe.«
Don Quixote sagte der Herzogin von neuem neue Danksagungen, und nach dem Abendessen zog er sich allein in sein Zimmer zurück, ohne zu erlauben, daß ihn jemand begleitete, um ihn zu bedienen; so sehr fürchtete er auf eine Gelegenheit zu treffen, die ihn bewegen oder zwingen könnte, die keusche Sittsamkeit zu verletzen, die er seiner Dame Dulcinea bewahrte, indem er sich immer die Trefflichkeit des Amadis vor Augen hielt, der Blume und dem Spiegel aller irrenden Ritter. Er verschloß hinter sich die Tür und entkleidete sich bei dem Scheine zweier Wachskerzen, und beim Ausziehen – o Unglück, eines solchen Mannes unwürdig! – entschlüpften ihm, nicht etwa Seufzer oder irgend etwas, das den Anstand seiner Sitten geschädigt hätte, sondern an zwei Dutzend Maschen im Strumpfe, der dadurch in ein Gitterwerk verwandelt war. Der treffliche Mann wurde hierüber äußerst betrübt und hätte gern für ein Quentchen grüner Seide eine
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