Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Ohren anhören und ihm mit frommen Werken zu Hilfe kommen.«
»Das glaube ich auch,« antwortete die Dueña, »denn von dem heldenmütigen und anmutigen Äußeren Eurer Gnaden konnte man keine andere als diese christliche Antwort erwarten.
Die Sache ist nun die, Herr Don Quixote: Eure Gnaden sieht mich zwar in diesem Sessel sitzen und mitten im Königreiche Aragon, in der Kleidung einer armseligen und geringen Dueña, aber darum bin ich doch aus Asturien von Oviedo geboren und in einer Familie, die zu den allervorzüglichsten in der ganzen Provinz gehört. Doch mein unglückliches Schicksal und die Sorglosigkeit meiner Eltern, die vor der Zeit arm wurden, ohne daß sie wußten wie oder warum es geschah, führten mich an den Hof nach Madrid, wo meine Eltern mich zu meinem Besten und um größeres Unheil zu verhüten als Nähterin bei einer vornehmen Dame unterbrachten, und Euer Gnaden muß hierbei erfahren, daß im feinen Nähen und mit weißem Zeuge umzugehen mir es noch keiner, zeit meines ganzen Lebens, gleich getan hat. Meine Eltern ließen mich im Dienst und gingen in ihre Heimat zurück, von wo sie nach wenigen Jahren wohl in den Himmel gekommen sind, denn sie waren nebenbei gute und katholische Christen. Ich war Waise und mußte mich mit dem kümmerlichen Gehalt und den knappen Geschenken ernähren, die dergleichen Dienerinnen immer im Palaste zu erhalten pflegen, und um diese Zeit, ohne daß ich ihm Gelegenheit dazu gegeben hätte, verliebte sich ein Stallmeister des Hauses in mich, ein Mann schon bei Jahren, bärtig und von ansehnlicher Person, vorzüglich aber ein Edelmann wie der König, denn er war aus dem Gebirge. Wir hielten unsere Liebe nicht so geheim, daß meine Dame nicht davon Kundschaft sollte bekommen haben, die, um das Reden und Klatschen zu vermeiden, uns auf den Wegen und mit dem Segen unserer heiligen Mutter der römisch-katholischen Kirche verheiratete, aus welcher Ehe eine Tochter geboren wurde, um meinem Glücke völlig den Garaus zu machen, wenn ich noch welches hatte, nicht als ob ich an der Geburt gestorben wäre, denn sie kam gesund und zu ihrer Zeit an, sondern weil mein Mann bald darauf an einem gehabten Schrecken starb, worüber sich Euer Gnaden gewiß wundern würde, wenn ich jetzt Zeit hätte, die Sache zu erzählen.« Bei diesen Worten fing sie kläglich zu weinen an und sagte: »Verzeiht mir, mein gnädiger Herr Don Quixote, ich kann es nicht hindern, denn so oft ich mich meines armen Mannes erinnere, kommen mir die Tränen in die Augen. Lieber Gott, mit welchem Anstande hatte er meine Dame hinter sich auf einem großen Maultiere, das so schwarz wie Ebenholz war! Denn damals waren noch keine Kutschen oder Sänften Mode, wie sie es jetzt sein sollen, sondern die Damen saßen hinter ihren Stallmeistern. Eins muß ich Euch wenigstens erzählen, woraus Ihr die gute Lebensart und Höflichkeit meines lieben Mannes sehen könnt. Beim Eingang der Straße Santjago in Madrid, die etwas enge ist, kam ihm in dieser der erste Alkalde mit zweien Alguazils vor sich her entgegen, und sowie ihn mein braver Stallmeister sah, wandte er sein Maultier herum und machte Miene, jenen zu begleiten. Meine Dame, die hinten saß, sagte leise zu ihm: ›Was macht Ihr denn, unsinniger Mensch, seht Ihr denn nicht, daß ich dorthin will?‹ Der Alkalde hielt aus Höflichkeit auch sein Pferd an und sagte: ›Setzt Euern Weg fort, Señor, denn meine Schuldigkeit ist es, die Señora, Doña Casilda zu begleiten‹; denn dieses war der Name meiner Dame. Aber mein Mann, mit der Mütze in seiner Hand, bestand immer fort darauf, den Alkalden zu begleiten. Da das meine Dame sah, nahm sie voll Ärger und Verdruß eine große Nadel oder ich glaube gar einen Pfriemen aus ihrer Büchse und stach ihn in die Seite, so daß mein Mann laut aufschrie und den Körper so gewaltsam drehte, daß er mit meiner Dame zur Erde fiel. Zwei von ihren Bedienten liefen herzu, sie aufzuheben, und das nämliche tat der Alkalde mit den Alguaziln. Das Tor von Guadalaxara kam in Aufruhr, ich meine die müßigen Menschen, die sich dort befanden. Meine Dame ging zu Fuße fort, und mein Mann begab sich in den Laden eines Barbiers, dem er sagte, daß man ihm den Leib von einer Seite zur anderen durchbohrt habe. Die Höflichkeit meines Gatten wurde so bekannt, daß ihm die Jungen auf der Straße nachliefen, und deswegen und weil er auch von kurzem Gesichte war, gab ihm die Dame den Abschied, und ich halte dafür, daß dieser Verdruß die Ursache
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