Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
ohne Fetzen abzuschneiden noch anzunähen.«
»Ich wünschte, gnädiger Herr«, antwortete der Bauer, »daß Ihr so gnädig wäret, mir ein Empfehlungsschreiben für meinen Schwäher zu geben, worin er gebeten würde, daß er es sich gefallen ließe, die Heirat zu beschleunigen, denn wir sind uns einander nicht ungleich, sowohl was die Glücksgüter als die Naturgaben betrifft, denn um die Wahrheit zu sagen, Herr Statthalter, so ist mein Sohn besessen, und es gibt keinen Tag, an dem ihn nicht die bösen Geister drei- bis viermal peinigten. Und davon, daß er einmal ins Feuer gefallen ist, hat er ein Gesicht, so zusammengeschrumpft wie Pergament, und die Augen sind ihm wässerig und etwas triefend; aber er hat ein Wesen wie ein Engel, und wenn er nicht hinstürzte und sich selber mit den Fäusten schlüge, so wäre er ein Kind des Himmels.«
»Wollt Ihr noch was anderes, lieber Mann?« versetzte Sancho.«Ich wollte wohl noch was anderes«, sagte der Bauer, »ich scheue mich nur, es zu sagen; aber frisch auf, es soll mir doch nicht im Leibe verderben, mag es mir was helfen oder nichts helfen. Ich sage, gnädiger Herr, daß ich wünschte, Ihr wäret so gut, mir dreihundert oder sechshundert Dukaten als Zubuße zur Aussteuer meines Bakkalaureus zu geben, ich meine als Zubuße, um seine Wirtschaft einzurichten, denn er muß doch nun für sich selber leben, daß die Eheleute nicht den Dummheiten der Schwiegereltern ausgesetzt sind.«
»Bedenkt Euch, ob Ihr noch was anderes wollt«, sagte Sancho, »und verschweigt es nicht aus Scham oder Furchtsamkeit.«
»Gewiß nichts weiter«, antwortete der Bauer; und kaum hatte er dieses gesagt, als der Statthalter aufsprang, den Stuhl faßte, auf welchem er gesessen hatte, und rief: »Ich schwöre dir, Herr Lümmel, Bauernflegel und unverschämter Kerl, daß, wenn Ihr mir nicht augenblicks aus den Augen geht, ich Euch mit diesem Stuhl den Kopf zerbrechen und zerschmettern will. Nichtswürdiger Hurensohn, du Maler des leibhaftigen Teufels, du unterstehst dich zu dieser Stunde zu kommen und sechshundert Dukaten von mir zu verlangen? Wo soll ich sie denn hernehmen, Rindskopf? Und warum sollte ich sie dir denn geben, wenn ich sie auch hätte, du Schelm und Spitzbube? Was geht mich denn Miguel Turra an und die ganze Sippschaft der Perleriner? Mir aus den Augen, sage ich, sonst, beim Leben des Herzogs, meines Herrn, tue ich dir, wie ich gesagt habe! Gewiß bist du nicht aus Miguel Turra, sondern ein Spitzbube, den die Hölle hierher geschickt hat, mich in Versuchung zu führen. Sage mir doch, du unverschämter Kerl, ich habe noch keine anderthalb Tage die Statthalterschaft und du willst, daß ich schon sechshundert Dukaten haben soll?«
Der Speisemeister gab dem Bauer ein Zeichen, daß er den Saal verlassen sollte, der es auch mit hängendem Kopfe tat und sich sehr zu fürchten schien, der Statthalter möchte seinen Zorn an ihm auslassen, denn der Schelm wußte seine Rolle sehr gut zu spielen.
Wir wollen aber Sancho mit seinem Zorne, der sich wieder legen wird, allein lassen und uns zu Don Quixote wenden, den wir verließen mit verbundenem Gesicht und an seinen Katzenwunden kurierend, von denen er in acht Tagen nicht wiederhergestellt wurde; an einem Tage begegnete ihm das, was Cid Hamete mit all der Genauigkeit und Wahrheit zu erzählen verspricht, mit denen er alle Dinge in dieser Historie zu erzählen pflegt, wenn sie auch noch so unbedeutend sein sollten.
48. Kapitel
Was dem Don Quixote mit der Doña Rodriguez, der Dueña der Herzogin, begegnete, nebst anderen Vorfällen, die einer Beschreibung und eines ewigen Gedächtnisses würdig sind.
Außerordentlich verdrießlich und melancholisch war der schlimm verwundete Don Quixote, das Gesicht verbunden und gezeichnet, nicht von der Hand Gottes, sondern von den Klauen einer Katze: Unfälle, die mit der irrenden Ritterschaft verbunden sind. Sechs Tage brachte er hin, ohne öffentlich zu erscheinen, und in einer der Nächte vorher, als er wachend und schlaflos lag, an sein Unglück und an die Verfolgung der Altisidora denkend, hörte er, daß man mit einem Schlüssel die Tür seines Zimmers öffnete, und sogleich bildete er sich ein, daß die verliebte Jungfrau komme, um seine Keuschheit zu bestürmen und die Treue wankend zu machen, die er seiner Dame Dulcinea von Toboso bewahren müsse.«Nein,« sagte er, indem er seine Vorstellung für Gewißheit nahm (und zwar so laut, daß man es hören konnte), »nein, die größte Schönheit
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