Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
ihren Trost zu leben schwören. –
Wer kann zugleich in einem Augenblicke
Doch hoffen und auch fürchten? o des Toren;
Wenn alles nur gerechte Furcht begründet!
Tritt nun die Eifersucht von mir zurücke,
Soll ich die Augen schließen? ist sie mir verloren,
Wenn sie in jedem Schmerz den Eingang findet?
Wie wehr’ ich, daß nicht jedes Gut verschwindet,
Wenn die Verachtung unverhüllt muß sehen?
Wenn ich den Argwohn will bestätigt schauen,
Daß ich ihm muß wie fester Wahrheit trauen?
Soll ich als Lügnerin die Wahrheit schmähen?
Mit Tyrannei sonst Eifersucht gebietet:
Ha! Dolche reich’ der Hand, die unnütz wütet;
Gib mir das Seil, Verachtung! in die Hände.
Ich Unglücksel’ger! fürchterlich besieget
Verbittert dein Andenken auch mein Ende. –
Ja sterben will ich, alle Hoffnung fliehen,
Nicht Trost im Tode suchen, nicht im Leben,
Und meinen festen Glauben fester fassen.
Ich sehe dich für einen andern glühen,
Du hast dein freies Herz dem Gott ergeben,
Der niemals noch sein altes Reich verlassen;
Ich sage, ja, du magst mich immer hassen,
So wie dein Körper schön ist deine Seele,
Daß du mich schmähst, ist ach! nur mein Verschulden,
Daß ich der Liebe Schmerzen muß erdulden,
Mein Herz in ewig wachen Martern quäle.
Ein scharfer Dolch und dieser feste Glauben
Wird endlich mir dies läst’ge Leben rauben,
So weit hat deine Schmach mich lassen flüchten,
Das Grab empfange Körper dann und Seele,
Ich will auch jedes künft’ge Glück vernichten. –
O du, die wortelos in dem Verachten
Mich Worte lehrst, mich zwingst, so zu beginnen,
Daß ich im Blute meines Herzens wüte:
Ich richte jetzt dahin mein letztes Trachten.
Zu zeigen dir mit Herz und allen Sinnen.
Wie fröhlich ich mich deiner Härte biete:
Rührt dich mein früher Tod, o so behüte
Den hellen Himmel deiner süßen Blicke,
Daß keine Träne ihren Schimmer trübe,
Ich will von dir kein Zeichen einer Liebe,
Ich weise jedes Mitleid nun zurücke.
Nein lache, wenn die Botschaft du vernommen,
Daß jeder sieht, wie froh sie dir bekommen.
Doch wahrlich braucht’s kein Lachen kund zu geben,
Es weiß ein jeglicher von deinem Ruhme,
Daß du so früh geendigt mein Leben. –
So kommt, die Zeit ist da, aus tiefen Gründen,
Du Tantalus verschmachtend, von dem Pfade
O Sisyphus mit deiner Felsenmasse,
Bring Tithyus deinen Geier, dich soll finden
Mein Blick, Ixion, mit dem schnellen Rade,
Die Schwestern emsig bei dem leeren Fasse.
Verbunden dann mit den Verdammten, lasse
Ich meine Klagen aus, mit stillem Leide
Vereinen sie sich all mit mir im Singen
Dem Körper Totenopfer darzubringen,
Dem Unbegrabnen, ohne Totenkleide.
Der Wächter, der finstre Hölle schirmet,
Und tausend andre Larven aufgetürmet,
Sie heulen dann die trauervollen Chöre,
Genug dem Liebenden, im Gram gestorben,
Denn er verdient nicht größre Totenehre. –
Beklagt euch nicht, verzweifelnde Gedichte,
Daß ich euch auch mit mir zugleich vernichte,
Denn ihr vergrößert wie mein Tod das Glücke
Von der, die nur beseligt wird durch Jammer,
Drum ohne Klagen geht ins Nichts zurücke. –
Allen Zuhörern gefiel das Gedicht des Chrysostomus, worauf der, welcher es vorgelesen, sagte, daß ihm das nicht mit dem Gerüchte von Marcellas Tugend und Vortrefflichkeit übereinzukommen schiene, wenn Chrysostomus über seine Eifersucht, Trennung und seinen Argwohn klagt, ganz gegen den guten Ruf, den Marcella sonst genösse.
Hierauf antwortete Ambrosius, dem die geheimsten Gedanken seines Freundes bekannt waren: »Edler Herr, damit ich Euch diesen Zweifel beantworte, müßt Ihr wissen, daß der Unglückliche dieses Gedicht schrieb, als er von Marcella entfernt war, er hatte diese Trennung freiwillig erwählt, um zu erfahren, ob sie auf ihn die gewöhnliche Wirkung tun würde, und da entfernte Liebende von tausend Gedanken beunruhigt, von unzähligen Zweifeln erschüttert werden, so wurde auch Chrysostomus von falscher Eifersucht und unbegründetem Argwohn gequält, die er nicht für Traum und Erdichtung hielt. So wich er von der Wahrheit und dem allgemeinen Rufe ab, der die Tugend der Marcella verkündigt, nach diesem ist sie grausam, eigensinnig und unerbittlich, wobei ihr aber der Neid selbst keinen Fehler aufbürden kann.«
»Ihr habt recht«, antwortete Vivaldo, indem er sich bereitete, ein anderes Papier vorzulesen, das er dem Feuer entrissen hatte, als er durch eine seltsame Erscheinung daran gehindert wurde (denn wie eine Erscheinung kam sie allen vor), die sich unvermutet ihren Blicken
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