Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
gefällig ist«, sagte Don Antonio; »Don Gregorio wird mit mir gehen, um seine Eltern zu trösten, die wegen seiner Abwesenheit in Verzweiflung sein müssen; Anna Felix wird sich in meinem Hause, bei meiner Frau, oder in einem Kloster aufhalten, und ich weiß, daß es der Herr Vizekönig erlaubt, daß der gute Ricote in dem seinigen bleibt, bis ich sehe, wie meine Unterhandlungen ablaufen.«
Der Vizekönig willigte in alle Vorschläge; aber Don Gregorio, welcher alles anhörte, sagte, daß er auf keine Weise Anna Felix verlassen werde oder könne; da er aber doch die Absicht hatte, seine Eltern wiederzusehen, und es zu bewerkstelligen, zu ihr zurückzukommen, so gab auch er zu dem Plane seine Einwilligung. Anna Felix blieb bei der Gemahlin des Don Antonio und Ricote im Hause des Vizekönigs.
Der Tag kam, an welchem Don Antonio abreiste, und zwei Tage nachher machte sich auch Don Quixote mit Sancho Pansa auf die Reise, denn sein Fall erlaubte es ihm nicht, daß er sich früher auf den Weg begeben konnte. Tränen, Seufzer, Ohnmachten fanden statt, als Don Gregorio von Anna Felix Abschied nahm. Ricote bot dem Don Gregorio tausend Dukaten an, wenn er sie haben wolle; er nahm aber nichts weiter, außer fünf, welche er vom Don Antonio lieh und versprach, sie ihm in Madrid wiederzugeben. Hiermit reisten die beiden ab und bald darauf, wie schon gesagt, Don Quixote und Sancho: Don Quixote ohne Rüstung und in Hauskleidern, Sancho zu Fuß, weil der Graue mit den Waffen beladen war.
66. Kapitel
Handelt von dem, welches der sehen wird, der es liest, oder der hören, der es sich vorlesen läßt.
Beim Ausgange aus Barcelona betrachtete Don Quixote noch einmal die Stelle, wo er gefallen war, und sagte: »Hier war Troja! Hier hat mein Unglück, aber nicht meine Feigheit mir meinen wohlverdienten Ruhm entrissen; hier bewies mir Fortuna ihren Wankelmut; hier verdunkelten sich meine Taten; hier, mit einem Wort, sank mein Glück, um niemals wieder aufzustehen.«
Als Sancho dies hörte, sagte er: »Für ein tapferes Gemüt, gnädiger Herr, ziemt es sich ebensowohl, die Leiden mit Geduld zu ertragen, als im Glücke fröhlich zu sein: das kann ich von mir selber abnehmen, denn da ich Statthalter war, war ich fröhlich, und jetzt, da ich Stallmeister zu Fuß bin, bin ich nicht traurig. Ich habe sagen hören, daß die sogenannte Fortuna ein betrunkenes, eigensinniges und überdies noch blindes Weibsbild sei, so daß sie nicht sieht, was sie tut, und selber nicht weiß, wen sie erniedrigt und wen sie erhebt.«
»Du bist sehr philosophisch, Sancho«, antwortete Don Quixote, »und sprichst äußerst verständig, ich weiß nicht, wer es dir gelehrt hat. Ich muß dir aber sagen, daß es keine Fortuna in der Welt gibt, und daß alles, was geschieht, das Gute sowohl wie das Böse, nicht von ungefähr kommt, sondern durch eine besondere Vorsehung des Himmels, und darum pflegt man zu sagen, daß jeder seines eigenen Glückes Schmied sei. Ich war es von dem meinigen, aber nicht mit der nötigen Vorsicht, und darum hat sich meine Anmaßung auf etwas Unmögliches gerichtet, denn ich hätte nach der außerordentlichen Wucht jenes Rosses des Ritters vom silbernen Monde urteilen sollen, daß ihm die Schwachheit des Rosinante keinen Widerstand leisten könne. Ich unterzog mich dessen, tat, was ich konnte, wurde niedergeworfen, und ob ich gleich die Ehre verloren habe, habe ich doch die Tugend weder verloren, noch kann ich sie verlieren, nach welcher ich mein Wort erfüllen werde. Als ich irrender Ritter war, zeigte ich mich kühn und tapfer, mit meinen Werken und Händen zeigte ich meinen Beruf, und jetzt, da ich ein gemeiner Stallmeister bin, will ich mein Wort bezeugen, indem ich mein gegebenes Versprechen zur Erfüllung bringe. Frisch denn, Freund Sancho, auf daß wir nach Hause kommen und das Jahr unseres Noviziats überstehen, mit dessen Schluß wir neue Kraft erwerben wollen, um zu dem mir unvergeßlichen Waffenhandwerke zurückzukehren.«
»Gnädiger Herr«, antwortete Sancho, »es ist kein großes Vergnügen, zu Fuß zu laufen, so daß es mich bewegen könnte, große Tagereisen zu machen. Wir wollen diese Waffen an irgendeinen Baum aufknüpfen wie einen Gehenkten, und wenn ich dann auf dem Buckel des Grauen sitze und die Beine über der Erde habe, so könnt Ihr die Tagereisen so stark einrichten, als es Euch nur immer gefällig ist, denn wenn Ihr meint, ich soll zu Fuß, und dabei alle Tage sehr weit laufen, so seid Ihr einer irrigen
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