Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
behandelt hast, o du härter als Marmor für meine Klagen! du steinerner Ritter, mich zur Leiche gemacht oder wenigstens wurde ich von allen dafür gehalten, welche mich sahen, und hätte die Liebe nicht, sich meiner erbarmend, meine Erweckung in die Marter dieses ehrlichen Stallmeisters gelegt, so würde ich in der anderen Welt geblieben sein.«
»Die Liebe hätte wohl«, sagte Sancho, »sie in die meines Esels legen können, und ich würde es ihr Dank gewußt haben. Aber sagt mir doch, Señora, wie Euch der Himmel einen anderen zärtlicheren Liebhaber bescheren möge, was habt Ihr denn in der anderen Welt gesehen? Wie steht es denn in der Hölle? Denn wer in der Verzweiflung stirbt, muß doch notwendig dorthin kommen.«
»Wenn ich Euch die Wahrheit sagen soll«, antwortete Altisidora, »so muß ich wohl nicht so ganz gestorben sein, denn ich kam nicht in die Hölle; wäre ich da hineingekommen, so hätte ich einmal für allemal nicht herausgekonnt, wenn es auch mein Wunsch gewesen wäre. Zwar kam ich bis an das Tor, wo wohl ein Dutzend Teufel standen und den Ball schlugen, alle in Kamisol und Beinkleidern und wallonischen Kragen, die mit brabantischen Spitzen besetzt waren, nebst Manschetten von derselben Art und die vier Finger breit über die Knöchel reichten, damit die Hände um so länger erschienen, in welchen sie feurige Raketen hatten. Was mich aber am meisten verwunderte, war, daß sie sich statt der Bälle der Bücher bedienten, die voller Wind und Wolle schienen, eine wunderbare und seltsame Sache; dies wunderte mich aber noch nicht so sehr, als daß ich sah, da doch sonst bei den Spielern die Gewinner lustig und die traurig sind, welche verlieren, wie bei diesem Spiele hier alle grunzten, alle brummten und sich alle verfluchten.«
»Das ist kein Wunder«, antwortete Sancho, »denn die Teufel mögen spielen oder nicht spielen, so könnten sie doch niemals vergnügt sein, sie mögen gewinnen oder nicht gewinnen.«
»Das muß wohl so sein«, antwortete Altisidora, »aber es war noch etwas anderes dabei, was mich in Erstaunen setzt (ich will sagen, was mich damals in Erstaunen setzte), nämlich, daß gleich beim ersten Schlage von einem Balle nichts übrigblieb, er auch nicht wieder gebraucht werden konnte, wodurch eine solche Menge alter und neuer Bücher draufging, daß es ein Wunder war. Eins davon, das ganz neu und gut eingebunden war, bekam eine solche Maulschelle, daß die Eingeweide heraushingen und die Blätter umherflogen. Ein Teufel sagte zum anderen: ›Sieh doch, was das für ein Buch ist‹, und der Teufel antwortete ihm: ›Dieses ist der zweite Teil der Geschichte des Don Quixote von la Mancha, nicht vom Cide Hamete, seinem ersten Autor verfaßt, sondern von einem Arragoneser, der, wie er sagt, aus Tordesillas gebürtig ist.‹ ›Fort damit‹, antwortete der Teufel und schleuderte es in die Abgründe der Hölle, ›daß es meine Augen niemals wieder sehen.‹ ›Ist es denn so schlimm?‹ fragte der andere. ›So schlimm‹, versetzte der erste, ›daß wenn ich mich selber dazu niedersetzte, um es schlimmer zu machen, ich es nicht vermöchte.‹ Sie setzten ihr Spiel fort und schlugen mit anderen Büchern Ball, und ich, weil ich Don Quixote nennen hörte, welchen ich liebe und verehre, suchte diese Vision in meinem Gedächtnisse zu behalten.«
»Eine Vision muß es ohne Zweifel gewesen sein«, sagte Don Quixote, »denn es gibt kein anderes Ich in der Welt, und obschon diese Geschichte von Hand zu Hand wandert, bleibt sie doch in keiner, sondern jeder gibt ihr einen Stoß mit dem Fuße. Ich habe mich nicht darüber geärgert, zu hören, wie ich mich als ein phantastischer Körper, sei es in den Finsternissen des Abgrundes oder in dem Lichte der Erde herumtreibe, weil ich nicht derjenige bin, von dem diese Geschichte handelt. Wäre sie gut, aufrichtig und wahrhaft, so würde sie durch viele Zeitalter leben, ist sie aber schlecht, so wird der Weg von ihrer Geburt zu ihrem Grabe nicht weit sein.«
Altisidora fuhr fort, sich über Don Quixote zu beklagen, als Don Quixote zu ihr sagte: »Vielmals habe ich Euch gesagt, Señora, wie es mir leid tut, daß Ihr Eure Gedanken auf mich gerichtet habt, denn mit den meinigen darf ich Euch wohl dankbar sein, kann Euch aber nicht helfen. Ich wurde geboren, um der Dulcinea von Toboso zu gehören, und die Schicksalsschwestern, wenn es deren gibt, haben mich für sie bestimmt, und zu denken, daß eine andere Schönheit die Stelle einnehmen könne,
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