Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
darüber angestellt habe, wie Ihr ohne Nutzen und Erquickung Abenteuer sucht, hier in den Wüsten und auf den Kreuzwegen, denn wenn Ihr auch die allergefährlichsten übersteht, so sieht und weiß das kein Mensch, und alles bleibt im ewigen Stillschweigen vergraben, zum Nachteil Eurer Absicht und Eurer Verdienste. Es scheint mir also (mit Eurer Erlaubnis) besser, daß wir irgendeinem Kaiser oder einem anderen großen Herrn dienen sollten, der irgend Krieg führt, in seinem Dienste könnt Ihr dann Eure tapfere Gesinnung, Eure gewaltige Macht und Euren trefflichen Verstand an den Tag legen. Sieht nun der Herr, dem wir dienen, dies alles, so muß er uns ja eine Belohnung geben, jedem nach seinem Werte, dann würden gewiß Eure großen Taten zum ewigen Angedenken aufgeschrieben; meine Taten will ich nicht erwähnen, denn die bleiben natürlich in den Schranken des Stallmeistertums, aber das kann ich behaupten, daß, wenn es bei der Ritterschaft Gebrauch wäre, die Taten der Stallmeister aufzuzeichnen, meine Verrichtungen gewiß auch schwarz auf weiß erscheinen würden.«
»Nicht übel sprichst du, Sancho«, antwortete Don Quixote; »bevor ich aber zu jenem Ziele gelange, ist es vonnöten, durch die Welt zu ziehen, gleichsam zur Beglaubigung, um Abenteuer aufzusuchen, damit, wenn ich etwelche beendige, mich der Ruhm bekränze. Wenn sich nun ein solcher Ritter an den Hof eines großen Monarchen verfügt, so ist er durch seine Taten schon gekannt, so daß, wenn ihn die Knaben nur durch die Tore der Stadt einziehen sehen, ihm alle folgen, ihn mit Geschrei umgeben und ausrufen: Dieses ist der Ritter von der Sonne, oder von der Schlange, oder von irgendeinem anderen Sinnbilde, unter welchem er denkwürdige Taten vollbracht hat. Dieser ist es, werden sie sagen, der im einzelnen Zweikampfe den Riesen Brocabruno von der gewaltigen Kraft überwand, er löste den mächtigen Zauber, in welchem der große Mameluk von Persien fast seit neun Jahrhunderten schmachtete. Also werden von Mund zu Mund seine Taten gepriesen und über dem Geschrei der Knaben und des übrigen Volkes tritt der König des Reiches an die Fenster seines herrlichen Palastes; sowie er den Ritter gewahrt, erkennt er ihn an der Rüstung oder an dem Sinnbilde des Schildes und ruft erfreut: Auf! alle meine Ritter, so viele sich deren nur am Hofe befinden, ihr sollt die Blume der Ritterschaft, die sich dorten naht, in Empfang nehmen. Alle stürzen diesem Gebote zufolge hinaus, er selbst begibt sich bis auf die Mitte der Treppe, umarmt ihn inbrünstig und willkommt ihn, küßt ihn auf den Mund und führt ihn an der Hand in das Gemach Ihrer Majestät der Königin; hier findet der Ritter die Infantin, seine Tochter, eine Jungfrau, so schön und von solcher Trefflichkeit, wie man sie gewiß nicht auf einem großen Teile dieser Welt finden wird. Es begibt sich sogleich im ersten Augenblicke, daß sie die Augen auf den Ritter wirft, er wirft die Augen auf sie, und jeder erscheint dem anderen mehr eine Gottheit als ein menschliches Wesen, und ohne zu wissen, was oder wie es geschieht, fühlen sich beide in dem hinter listigen Liebesnetze gefangen und vestrickt, worüber ihre Herzen in großen Sorgen stehen, weil sie nicht wissen, was sie reden oder wie sie ihre Gefühle und ihre Pein entdecken sollen. Von dorten führen sie ihn wohl in ein anderes Quartier des Palastes, das reich geschmückt ist, wo er die Rüstung abtut und sie ihn mit einem kostbaren Scharlachmantel bedecken; schien er in der Rüstung trefflich, so erscheint er im Hauskleide noch trefflicher. Der Abend kommt und er speist mit dem Könige, der Königin und der Infantin, wobei er niemals die Augen von ihr wendet und sie verstohlen beschaut, ohne daß es die Umstehenden merken, sie tut das nämliche mit der nämlichen Vorsicht, denn wie ich schon einmal gesagt, sie ist eine sehr verständige Jungfrau. So wie die Tafel aufgehoben ist, kommt alsbald durch die Tür des Saales ein häßlicher kleiner Zwerg mit einer schönen Dame, die sich zwischen zwei Riesen befindet und ein solches Abenteuer mit sich bringt, welches ein uralter Weiser eingerichtet hat, daß der, der es vollführt, für den allertrefflichsten Ritter von der Welt gehalten werden muß. Sogleich gibt der König Befehl, daß sich alle, die zugegen sind, in dem Abenteuer versuchen sollen, keiner aber bezwingt und beendigt es, als der fremde Ritter, wodurch er seinen Ruhm um ein großes vermehrt, zum großen Vergnügen der Infantin, die sich
Weitere Kostenlose Bücher