Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
zu sehen.«
»Du wirst gut aussehen«, sagte Don Quixote, »doch wirst du dir den Bart müssen dünner scheren lassen, denn so dick, häßlich und unordentlich dein Bart ist, mußt du ihn wenigstens einen Tag um den anderen unter das Messer bringen, sonst weiß doch jeder schon auf einen Steinwurf, wer du bist.«
»Was gilt es«, sagte Sancho, »ich nehme mir lieber einen Barbier und lasse ihn bei mir im Hause wohnen, und wenn es nötig tut, muß er mir allerwege nachfolgen, wieder Bereiter eines Großen!«
»Aber wie weißt du«, fragte Don Quixote, »daß die Großen ihren Bereiter hinter sich führen?«
»Ich will es sagen«, antwortete Sancho, »ich war vor etlichen Jahren einmal vier Wochen lang in Madrid, da sah ich einen sehr kleinen Herrn vorbeireiten, von dem die Leute sagten, er wäre sehr groß, ein Mann folgte ihm auf allen seinen Schritten und Tritten zu Pferde nach, so daß er mir wie sein Schwanz vorkam; ich fragte die Leute, warum der Mann nicht neben dem anderen ritte, sondern nur immer hinter ihm herzöge, da antworteten sie, daß er sein Bereiter wäre und daß es die Großen in der Art hätten, sie so hinter sich zu führen; das weiß ich seitdem so gut, daß ich es niemals wieder vergessen habe.«
»In der Tat hast du recht«, sagte Don Quixote, »und auf die Weise kannst du deinen Barbier mit dir führen, denn die Gebräuche entstehen nicht auf einmal und werden nicht alle zu einer Zeit erfunden, und so kannst du vielleicht der erste Graf sein, der seinen Barbier hinter sich führt; und überdies ist den Bart in Ordnung halten ein wichtiger Geschäft als ein Pferd satteln.«
»Das mit dem Barbier laßt nur meine Sorge sein«, sagte Sancho, »Ihr braucht nur darauf zu denken, wie Ihr König werdet und mich zum Grafen macht.«
»So sei es«, antwortete Don Quixote, und indem er die Augen erhob, sah er, was das folgende Kapitel erzählen wird.
22. Kapitel
Hier erteilt Don Quixote vielen Unglücklichen die Freiheit, die man wider Willen hinführte, wohin sie ungern gingen.
Cide Hamete Benengeli, der arabische und manchanische Geschichtschreiber, erzählt in dieser wichtigen, erhabenen, genauen, lieblichen und gut erfundenen Geschichte, daß, nachdem zwischen dem berühmten Don Quixote von la Mancha und seinem Stallmeister Sancho Pansa obige Reden vorgefallen waren, die im vorigen Kapitel vorgetragen sind, der Ritter die Augen erhob und sah, wie auf der Straße, die er zog, ihm wohl zwölf Menschen zu Fuß entgegenkamen, die wie die Perlen eines Rosenkranzes mit den Hälsen auf eine große, eiserne Kette gereiht waren und an den Händen Handschellen trugen. Mit ihnen kamen zwei Leute zu Pferde und zwei zu Fuß. Die zu Pferde waren mit geladenen Flinten bewaffnet, die zu Fuß mit Spieß und Schwert, und sowie sie Sancho erblickte, sagte er: »Das ist eine Kette mit Ruderknechten, die der König zwingt, ihm auf den Galeeren zu dienen.«
»Wieso zwingt?« fragte Don Quixote; »wie kommt der König dazu, irgend jemand zu zwingen?«
»Das sage ich nicht«, antwortete Sancho, »sondern das sind Leute, die man wegen ihrer Verbrechen verurteilt hat und sie zwingt, auf den Galeeren zu dienen.«
»In summa«, versetzte Don Quixote, »wenn ich dich recht verstehe, so gehen jene Leute, die man fortführt, gezwungen und nicht nach eigenem freien Willen.«
»Wahrhaftig nicht«, sagte Sancho.
»Da dem so ist«, erwiderte sein Herr, »so tritt hier die Ausübung meines Gewerbes ein, Zwang aufzuheben und den Unglücklichen zu helfen und beizustehen.«
»Bedenkt Euch wohl, gnädiger Herr«, sagte Sancho, »denn die Gerechtigkeit, die den König vorstellt, begeht keinen Zwang oder Unrecht an dergleichen Leuten, sondern sie werden nur wegen ihrer Verbrechen gestraft.«
Indem kam die Kette mit den Ruderknechten heran, und Don Quixote bat diejenigen, die als Wache mitgingen, mit vieler Höflichkeit, ihm den Grund oder die Gründe gefälligst mitzuteilen, warum man diese Leute auf solche Weise fortführe. Einer von den Wachen zu Pferde antwortete, daß es Ruderknechte wären, Sklaven Seiner Majestät des Königs, die auf die Galeeren gebracht würden, mehr könne er nicht sagen, und mehr sei ihm auch nicht bekannt. »Demungeachtet«, erwiderte Don Quixote, »wünschte ich von jedem insbesondere die Ursache seines Unglücks zu erfahren.« Er fügte noch so viele und so höfliche Bitten hinzu, um seinen Wunsch durchzusetzen, daß der andere von der Wache zu Pferde sagte: »Wir haben zwar das ganze Register
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