Don Quixote
verfluche und vergeblich den geliebten Namen meiner Feindin wiederhole; meine Absicht ist dann, mir mit diesem Geschrei das Leben zu nehmen, und wenn ich dann wieder zur Besinnung komme, fühle ich mich so matt und erschöpft, daß ich mich kaum regen kann. Mein gewöhnlicher Aufenthalt ist die Höhlung eines geräumigen Korkbaumes, in dem ich diesen elenden Körper verberge. Die Ochsentreiber und Ziegenhirten, die in diesen Bergen streifen, legen mir, aus Mitleid bewegt, im Wege und auf den Felsen Nahrung hin, wo sie meinen, daß ich vorübergehen und sie finden werde, und ob ich gleich dann nicht Besinnung habe, so treibt mich doch der Instinkt der Natur, meine Nahrung zu suchen, und erweckt in mir die Begierde, sie zu nehmen und zu verzehren. Oft, sagen sie, wenn sie mir im Wahnsinne begegnen, falle ich sie auf den Wegen an und nehme ihnen mit Gewalt, so gern sie es mir auch aus gutem Willen geben, wenn die Schäfer aus dem Dorfe nach den Hütungen gehen. So lebe ich dies elende, unglückselige Leben, bis es dem Himmel gefallen wird, es zu beschließen oder mein Gedächtnis so zu ändern, daß ich nicht mehr der Schönheit und des Verrats Luzindens sowie Don Fernandos Schändlichkeit gedenke; geschieht dies vor meinem Tode, so will ich meine Gedanken anders richten; wo nicht, so bitte ich ihn nur darum, daß er meiner Seele gnädig sein möge, denn in mir selber fühle ich nicht Kraft und Stärke genug, meinen Körper aus diesem Elende zu reißen, in das ich mich freiwillig gestürzt habe. Dies, meine Herren, ist die trübselige Geschichte meiner Leiden, sagt mir nun, ob ich sie mit weniger Schmerzen vortragen kann, als ich Euch gezeigt habe? Gebt Euch darum keine Mühe, mir mit vernünftigem Rate beizustehen, er kann mir so wenig nützen, wie die Arznei eines geschickten Arztes dem Kranken, der sie nicht einnehmen will. Ich will keine Wohlfahrt ohne Luzinden, und da sie einen andern erwählt hat, indem sie die Meine war oder sein sollte, wähle ich mir nun das Unglück, da ich sonst hätte glücklich sein können. Sie machte durch ihren Wankelmut mein Verderben beständig, ich will mich selbst verderben und dadurch ihren Willen erfüllen; ich bin für die Zukunft ein Beispiel, wie mir allein das fehlte, was sonst allen Elenden bleibt, die sich immer damit trösten, daß ihre Leiden nicht ewig dauern, und darum leide ich um so größere Martern, weil ich glaube, daß sie sich nicht mit dem Tode endigen werden.«
Hier beschloß Cardenio seine lange Rede und die Geschichte seiner unglücklichen Liebe, und indem ihm der Pfarrer etwas Tröstliches sagen wollte, unterbrach ihn eine Stimme, die er vernahm, und sie alle hörten in traurigen Akzenten das, was der vierte Teil dieser Erzählung sagen wird, denn hier beschließt den dritten der weise und genaue Geschichtschreiber Cide Hamete Benengeli.
I V. B U C H
1. [28.] KAPITEL
Handelt von dem neuen und angenehmen Abenteuer,
welches dem Pfarrer und Barbier in dem nämlichen
Gebirge begegnete
Höchst beglückt und freudenreich waren die Zeiten, in welchen der kühnste Ritter Don Quixote von la Mancha der Welt erschien, denn, indem er dazumal den ehrenvollen Entschluß faßte, den erloschenen und gleichsam erstorbenen Orden der irrenden Ritterschaft zu erwecken und der Welt zurückzugeben, geschieht es, daß wir uns in unsern Tagen, die einer erheiternden Unterhaltung so sehr bedürfen, nicht nur der Süßigkeiten seiner wahrhaftigen Geschichte erfreuen, sondern zugleich der Erzählungen und Episoden, die zum Teil ebenso anmutig, kunstreich und wahrhaftig sind als die Geschichte selbst, welche ihren sauber gehechelten, geflochtenen und abgeteilten Faden aufnimmt und erzählt, wie der Pfarrer, als er sich eben be reitete, dem Cardenio Trost zuzusprechen, von einer Stimme, die sein Ohr vernahm, unterbrochen wurde, welche in klagenden Tönen folgendes sagte:
»O Himmel! Sollte ich schon den Ort gefunden haben, der zum verborgenen Grabe der Last dieses meines Körpers dienen kann, die ich so sehr wider meinen Willen trage? Ja, so wird es sein, wenn diese Gebirge so einsam sind, wie sie mir erscheinen. Ach, ich Unglückselige! Wieviel liebere Gesellschaft werden diese Felsen und Abgründe für mein Vorhaben sein – denn sie vergönnen es mir, mein Unglück dem Himmel zu klagen – als die Gegenwart irgendeiner menschlichen Gestalt; denn von keinem auf Erden kann ich Rat in meinem Zweifeln hoffen, Trost in meinen Schmerzen, Hülfe in meinen Leiden.«
Alle diese Worte
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