Don Quixote
sah, wie sehr meine Ehre vernichtet war, daß man nicht nur meine Entfernung, sondern auch meinen Begleiter bekanntmachte, einen Gegenstand, der so niedrig und meiner Neigung durchaus unwürdig war. Sowie ich den Ausruf gehört hatte, verließ ich mit meinem Diener die Stadt, der schon anfing mir Proben zu geben, daß er in der mir versprochenen Treue wankend werde; in derselben Nacht begaben wir uns, aus Furcht, gefunden zu werden, in die verborgenen Schlüfte dieses Gebirges; wie man aber zu sagen pflegt, daß ein Unglück das andere herbeirufe und daß das Ende eines Leidens gewöhnlich nur der Anfang eines andern, noch größern sei, dies bewies sich an mir; denn mein guter Diener, bis dahin treu und zuverlässig, sah mich kaum in dieser Einsamkeit, als er, mehr durch sein schlechtes Gemüt als meine Schönheit gereizt, sich die Gelegenheit zunutze machen wollte, die ihm diese Wildnisse anzubieten schienen, und Ehrbarkeit, Furcht Gottes und Achtung gegen mich vergaß und mir seine Liebe antrug; und da er sah, wie ich auf seine unehrbaren Anträge mit frommen und geziemenden Worten erwiderte, ließ er die Bitten, deren er sich erst bediente, und fing an Gewalt zu brauchen; aber der gerechte Himmel, der selten oder niemals ermangelt, den tugendhaften Willen zu erkennen und zu beschützen, beschützte auch den meinigen so sehr, daß ich ihn mit meinen wenigen Kräften und mit kleiner Anstrengung von einem Abschusse herunterschleuderte, wo ich ihn, ich weiß nicht ob lebend oder tot, liegen ließ und gleich mit aller Schnelligkeit, die mir Schreck und Mattigkeit ließen, in diese Berge hinaufeilte, ohne andere Absicht und Gedanken, als mich hier zu verbergen und meinem Vater und andern zu entfliehen, die sich aufmachen würden, mich zu suchen. Mit diesem Vorsatze hatte ich schon einige Monate hier gelebt ; denn ich traf auf einen Bauer, der mich als Knecht nach einem Dorfe in das innerste Gebirge mit sich nahm, wo ich diese Zeit über als sein Hirt gedient habe, indem ich mich immer auf dem Felde aufzuhalten suchte, um diese Haare zu verstecken, die mich heute, ohne daß ich es dachte, verraten haben; aber meine Mühe und Vorsicht war auch damals ohne Nutzen; denn mein Herr merkte, daß ich kein Mann sei, und derselbe schlechte Vorsatz wie in meinem Diener entstand in ihm; da aber das Glück uns mit der Widerwärtigkeit nicht immer die Hülfe reicht, so mochte sich auch kein Hohlweg oder Absturz finden, von wo ich den Herrn so hinunterstürzte, wie ich dem Diener getan hatte, also hielt ich es für zuträglicher, von ihm zu gehen und mich von neuem in diesen Wildnissen zu verbergen, als meine Kräfte oder meine Rechtfertigung gegen ihn zu versuchen; also verbarg ich mich, wie gesagt, wieder hier, um hier einen Ort zu finden, wo ich ungestört den Himmel um Mitleid anflehen kann, und daß er mir ein Mittel zeige, aus meinem Elende zu kommen oder hier in dieser Wüstenei zu sterben, damit kein Andenken der Unglückseligen übrigbleibe, die ohne ihre Schuld der Gegenstand der Gespräche und des Spottes so in ihrer wie in fremder Gegend geworden ist.«
2. [29.] KAPITEL
Welches von dem artigen Kunstgriffe und der Weise
handelt, die man annahm, unsern verliebten Ritter aus
seiner höchst grausamen Buße zu nehmen, der er sich
unterzogen hatte
»Dieses, meine Herren, ist die wahrhafte Geschichte meiner trübseligen Begebenheiten; urteilt jetzt selber, ob die Seufzer, die Ihr vernommen, die Worte, die Ihr gehört, die Tränen, die meinen Augen entflossen, nicht hinreichende Ursache haben, um im größten Übermaße auszubrechen. Erwägt Ihr dabei die Art meines Unglücks, so werdet Ihr finden, daß jeder Trost vergeblich, weil keine Hülfe dagegen zu finden ist ; nur darum bitte ich Euch – was Ihr mit Leichtigkeit tun könnt und sollt –, mir Rat zu geben, wo ich mein Leben beschließe, ohne der Furcht und Angst bloßgestellt zu sein, daß ich von denen angetroffen werde, die mich suchen; denn wenn ich auch weiß, daß die große Liebe, die meine Eltern zu mir tragen, sie bewegen würde, mich gut aufzunehmen, so ist doch meine Scham schon bei dem Gedanken, vor ihnen anders, als sie es denken, zu erscheinen, so groß, daß es mich besser dünkt, mich hier auf ewig ihrem Anblicke zu entziehen, als ihr Angesicht zu sehen, mit der Mei nung, daß sie mich der Tugend, die sie mir zugetraut hatten, entfremdet wiederfinden.«
Hiermit schwieg sie, und eine Röte überzog ihr Angesicht, woraus man deutlich die Empfindungen
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