Don Quixote
kosten kann; also vorausgesetzt, daß nichts von alledem, was du mir gegen mein Vorhaben sagen könntest, mich abhalten wird, es ins Werk zu richten, bitte ich dich, Freund Lotario, daß du es seist, der zu meinem Besten dieses Vorhaben unternimmt ; denn ich will dir Gelegenheit geben, es zu tun, ohne daß dir irgend etwas mangeln soll, das nötig ist, dich um ein edles, geehrtes, sittsames und uneigennütziges Weib zu bewerben. Was mich außer andern Dingen aber dahin bringt, dir dieses gefährliche Unternehmen zu vertrauen, ist die Überzeugung, daß, wenn Camilla von dir überwunden wird, ihre Besiegung nicht das Letzte nach sich ziehen, sondern nur ein Vorsatz bleiben wird, so wie meine Kränkung in deiner heiligen Verschwiegenheit verborgen bleibt ; denn ich weiß, daß sie in allen, was mich betrifft, so stumm wie der Tod ist. Wenn du also willst, daß ich soll leben bleiben – und wie kann es anders sein? –, so mußt du sogleich diesen Streit der Liebe beginnen, und zwar nicht lässig und träge, sondern mit all dem Eifer und Fleiß, den mein Vorhaben verlangt, und wie es das Vertrauen auf unsre Freundschaft mich hoffen läßt.«
So redete Anselmo zu Lotario, der immer aufmerksam zuhörte und nicht eher als beim Beschluß seine Lippen zum Sprechen öffnete. Da er nun sah, daß jener nichts mehr hinzufügte, betrachtete er ihn eine Weile wie einen Gegenstand, den er noch niemals gesehen und der ihm Verwunderung und Erstaunen erregte, dann sagte er: »Ich muß glauben, Freund Anselmo, daß du mir alles dieses nur zum Scherze gesagt hast, denn hätte ich es für Ernst gehalten, so würde ich deine lange Rede dadurch unterbrochen haben, daß ich ihr nicht zugehört hätte. Ich bin fest der Meinung: entweder du kennst mich nicht, oder ich kenne dich nicht; aber doch ist es nicht so, denn ich weiß, du bist Anselmo, wie es dir bekannt ist, daß ich Lotario bin; nur muß ich leider denken, du seist nicht derselbe Anselmo, der du warest, wie du mich auch für einen ganz andern Lotario halten mußt, als ich sein sollte: denn was du mir sagst, kann mein Freund Anselmo nicht sprechen, und was du von mir forderst, kannst du unmöglich von dem Lotario fordern, den du kennst; denn wie ein Poet sagt, sollen Freunde ihre Liebe und Freundschaft gegeneinander zeigen usque ad aras; was soviel sagen will, daß sie ihre Freundschaft nicht in Dingen zeigen dürfen, die gegen Gott sind; wenn nun ein Heide so von der Freundschaft dachte, wieviel mehr ziemt es sich für einen Christen, dem es bewußt ist, daß er die Liebe Gottes für keines Menschen Liebe verlieren darf? Verlangt aber ein Freund, daß man so sehr das Äußerste tue und daß man den Willen des Himmels beiseite setze, um den des Freundes zu erfüllen, so muß das nicht wegen kleiner, unbedeutender Dinge geschehen, sondern nur für Sachen, welche die Ehre und das Leben des Freundes betreffen. Aber nun sage mir, Anselmo, ist deine Ehre oder dein Leben in Gefahr, daß ich mich wagen sollte, dir Genüge zu tun und etwas so Abscheuliches auszuführen, als du von mir verlangst? Wahrlich, nein, sondern soviel ich begreife, verlangst du, daß ich mir Mühe geben soll, dir Ehre und Leben zu rauben, ja, zu gleicher Zeit es mir zu rauben, denn wenn ich dir deine Ehre stehle, so folgt daraus, daß ich dein Leben stehle, denn ein Mann ohne Ehre ist schlimmer als ein Toter, und da ich, wie du es verlangst, der Urheber deines Elendes bin, werde ich nicht zugleich entehrt und folglich auch des Le bens beraubt? Höre mir zu, Freund Anselmo, und antworte mir nichts, bis ich dir alles gesagt habe, was mir in Ansehung deines Vorhabens einfällt, denn du wirst dann noch Zeit haben, zu antworten, so wie ich, dir zuzuhören.«
»So sei es«, sagte Anselmo, »sprich, was du willst.« Und Lotario fuhr hierauf so fort : »Es scheint mir, Anselmo, du habest jetzt die Art des Verstandes, die den Mohren eigen ist, denen man durch Stellen aus der Heiligen Schrift nicht den Irrtum ihrer Sekte deutlich machen kann, ebensowenig durch Gründe, die aus der reinen Vernunft genommen oder die auf Glaubensartikel gebaut sind, sondern man muß ihnen handgreifliche und leichte Beispiele geben, die verständlich, beweislich und unwiderleglich sind, wie die mathematischen Demonstrationen, die sie nicht ableugnen können, als wenn man sagt: ›Wenn von zwei gleichen Teilen zwei gleiche Teile abgezogen werden, so ist sich das, was übrigbleibt, gleich‹; und wenn sie das in Worten nicht begreifen, wie sie
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