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Don Quixote

Don Quixote

Titel: Don Quixote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miguel de Cervantes Saavedra
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vollendet und eine so große Vollkommenheit und Schönheit zeigte, daß eine solche Erfindung den Zweck, zugleich zu ergötzen und zu belehren, besser als alle übrigen Schriften erfüllen würde; denn der mannigfaltige Inhalt gäbe dem Verfasser Gelegenheit, sich bald als epischen, lyrischen, tragischen oder komischen Dichter zu zeigen, in Verbindung aller jener Dinge, aus denen die höchst lieblichen und anmutigen Künste der Poesie und der Rede bestehen; denn die epische Dichtkunst darf ebensowohl in Prosa als in Versen vorgetragen werden.

    7. [48.] KAPITEL In welchem der Canonicus die Materie von den Ritterbüchern fortsetzt, nebst anderen Dingen, die seines
    Verstandes nicht unwürdig sind

    »Ihr habt vollkommen recht, Herr Canonicus«, sagte der Pfarrer, »und deshalb verdienen diejenigen sehr scharf getadelt zu werden, die bisher dergleichen Bücher schrieben, ohne auf eine verständige Anordnung, auf Kunst und Regeln Rücksicht zu nehmen, wodurch sie sich in Prosa ebenso berühmt hätten machen können, als es in Versen die beiden Fürsten der griechischen und lateinischen Poesie geworden sind.«
    »Ich wenigstens«, versetzte der Canonicus, »bin in großer Versuchung gewesen, ein Ritterbuch zu verfassen, in dem ich alles beobachten wollte, wovon ich soeben gesprochen habe; und die Wahrheit zu gestehen, so habe ich schon mehr als hundert Bogen davon geschrieben; und um die Probe zu machen, ob ich auch meinen Endzweck erreicht hätte, habe ich es Leuten mitgeteilt, die solche Lektüre mit Leidenschaft lieben, sowohl Verständigen und Unterrichteten als auch Unwissenden, die nur ein Vergnügen daran finden, Unsinn zu hören, und alle haben mir einstimmig ihren Beifall bezeugt. Ich habe aber dessenungeachtet nicht fortgefahren, weil es mir vorkam, daß dies eine Be schäftigung sei, die sich für meinen Stand nicht zieme, und weil ich bedachte, daß es mehr Narren als Kluge in der Welt gibt, und ob es freilich wohl vorzuziehen ist, von wenigen Verständigen gelobt als von vielen Toren getadelt zu werden, so mochte ich mich doch nicht dem verwirrten Urteile der nichtigen Menge unterwerfen, die doch nur meistenteils dergleichen Bücher lieset. Was mir aber diese Arbeit am meisten verleidete, daß ich sogar den Gedanken daran aufgab, war ein Argument, das ich mir selber vorlegte und das ich von den Komödien entlehnte, die jetzt vorgestellt werden, indem ich zu mir sagte: Wenn die Schauspiele, die jetzt gebräuchlich sind, sowohl die erfundenen als die aus der Historie entlehnten, alle oder doch die meisten für unsinnig erkannt und Dinge sind, die weder Hand noch Fuß haben, und der große Haufe sie dennoch mit dem größten Vergnügen anhört und sie für vortrefflich hält, so weit sie auch davon entfernt sind, und wenn die Verfasser, die sie machen, sowie die Schauspieldirektoren, die sie vorstellen, sagen, daß sie so sein müssen, weil sie der große Haufe so verlangt, und durchaus nicht anders und daß diejenigen, die die Fabel nach der Kunst behandeln, nur für vier Verständige schreiben, die es begreifen, und alle übrigen bei ihrem Kunstwerke nur Langeweile empfinden und daß sie es für besser halten, von vielen Brot zu erwerben als Ehre bei wenigen, so wäre es mir am Ende mit meinem Buche auf gleiche Weise ergangen, daß ich mir die Finger abgenagt hätte, um den Vorschriften zu folgen, und am Ende nichts weiter getan als Wasser im Siebe geschöpft. Ich habe zwar etliche Male die Direktoren überzeugen wollen, daß die Meinung, die sie haben, irrig sei und daß sie mehr Leute herbeiziehen und mehr Ehre erwerben würden, wenn sie Komödien darstellten, die nach der Kunst gedichtet sind, als mit jenen unvernünftigen; aber sie sind in ihrem Glauben so tief eingewurzelt, daß sie kein Beweis und kein Beispiel wieder herausreißen kann. Ich erinnere mich, daß ich einst zu einem von diesen Halsstarrigen sagte: ›Erinnert Ihr Euch nicht mehr, daß vor einigen Jahren in Spanien drei Tragödien vorgestellt wurden, die ein berühmter Poet dieses Reiches erdichtet hatte und die so beschaffen waren, daß alle, die sie sahen, sich verwunderten und ergötzten, sowohl Unwissende als Verständige, sowohl der große Haufe als die Kenner, und daß den Schauspielern diese drei mehr Geld eintrugen als dreißig der besten, die seitdem gespielt sind?‹ – ›Ohne Zweifel‹, versetzte jener Autor, ›meint Ihr die Isabella, Philis und Alexandra.‹ – ›Wohl meine ich diese‹, antwortete ich, ›nun seht, ob

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