Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Don Quixote

Don Quixote

Titel: Don Quixote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miguel de Cervantes Saavedra
Vom Netzwerk:
morgen früh mit Tagesanbruch in den Ländern des Priesters Johann von Indien ankommen, oder in andern, die Ptolemaeus nie entdeckt und Marco Polo nie gesehen hat? Will man hierauf antworten, daß diejenigen, die dergleichen Bücher schreiben, sie für nichts als leere Erdichtungen ausgeben, wodurch sie nicht gezwungen sind, auf Kleinigkeiten oder auf die Wahrheit achtzugeben, so antworte ich ihnen darauf, daß die Erdichtung um so besser ist, je näher sie der Wahrheit kommt, und um so angenehmer, je inniger sie das Zweifelhafte mit dem Möglichen verbindet. Man muß die Erdichtungen mit dem Verstande der Leser zu vermählen suchen und so schreiben, daß das Unmögliche näher gerückt, das Hohe vertrauter gemacht ist, so daß die Gemüter in Spannung bleiben, wodurch denn zu gleicher Zeit Bewunderung, Spannung, Erschütterung und Unterhaltung so entsteht, daß Erstaunen und Ergötzen immer ineinander sind; alles dieses vermag aber derjenige gar nicht auszurichten, der sich von der Wahrscheinlichkeit und der Nachahmung entfernt, in denen nur allein die Vollkommenheit der Darstellung besteht. Ich habe noch kein Ritterbuch gesehen, dessen Fabel ein zusammenhängender Körper mit allen seinen Gliedern wäre, so daß die Mitte zum Anfange und das Ende zum Anfange und die Mitte stimmte, sondern diejenigen, die sie mit so vielen Gliedern zusammensetzen, scheinen mehr die Absicht zu haben, eine Chimäre oder ein Ungeheuer hervorzubringen als eine verhältnisvolle Gestalt zu bilden; außerdem sind sie im Stile hart, in den Taten unmöglich, in der Liebe unzüchtig, in den Artigkeiten ungezogen, in den Schlachten weitläufig, in den Reden töricht, in den Reisen unsinnig, und kurz, durchaus einem verständigen Kunstwerke entgegengesetzt und deshalb würdig, als heilloses Gesindel aus einem christlichen Staate verbannt zu werden.«
    Der Pfarrer hörte ihm mit großer Aufmerksamkeit zu und sah, daß er ein Mann von feinem Verstande war, auch daß er in dem, was er behauptete, recht habe; er sagte ihm also, daß er derselben Meinung sei, und da er ebenfalls die Ritterbücher hasse, habe er alle die des Don Quixote verbrannt, deren nicht wenige gewesen. Er erzählte ihm hierauf das Gericht, welches er über sie gehalten, und nannte ihm die, welche er verdammt, und diejenigen, denen er das Leben geschenkt hatte, worüber der Canonicus sehr lachte und sagte, daß, soviel Böses sich von diesen Büchern sagen ließe, sie doch etwas Gutes an sich hätten, nämlich den Gegenstand, den sie bearbeiteten; denn ein guter Kopf könne sich in ihnen in seinem ganzen Vermögen zeigen, weil sie einen weiten und geräumigen Plan anböten, auf welchem sich ohne alles Hindernis die Feder herumtummeln könnte und bald Schiffbrüche beschreiben, Unglück, Zweikämpfe und Schlachten, dann wieder einen großen Feldherrn in seinem ganzen Charakter darstellen, der seine Klugheit zeigt und der List des Feindes zuvorkömmt, der als geübter Redner seine Soldaten überredet oder abredet, der langsam in Ratschlüssen, schnell in der Entscheidung ist, ebenso mutig, wenn er den Feind erwartet, als wenn er ihn angreift; hier kann ein kläglicher und trauriger Vorfall geschildert werden, dort eine unerwartete, fröhliche Begebenheit; bald eine schöne, keusche, tugendhafte und edle Dame; dann ein christlicher Ritter, der ebenso tapfer als menschlich ist; dort wieder ein wilder, prahlerischer Barbar; hier ein vortrefflicher Fürst, der sich großmütig und verständig darstellt; die treue Ergebenheit seiner Untertanen, die Größe und die Belohnung seiner Günstlinge; ja, der Verfasser kann sich als Astrologen zeigen, als kundigen Kosmographen, als Musiker, als einen Staatsverständigen und, wenn es die Gelegenheit erfordert und er sonst Lust hat, selbst als Nekromanten; er kann uns die Schlauheit des Ulysses darstellen, die Frömmigkeit des Aeneas, den Mut des Achilles, das Unglück des Hektor, die Verräterei des Sinon, die Freundschaft des Eurialus, die Freigebigkeit Alexanders, die Seelengröße des Caesars, die Güte und Wahrhaftigkeit Trajans, die Treue des Zopyrus, die Weisheit des Cato, kurz, alle die Vollkommenheiten, durch welche ein großer Mann besteht, bald in einem Helden vereinigt, bald unter verschiedene verteilt. Dies in einem anmutigen Stile vorgetragen und von einer sinnreichen Erfindung begleitet, die so nahe als möglich an die Wahrheit grenzt, würde gewiß ein Gewebe von buntfarbigen und schön verschlungenen Fäden darstellen, welches

Weitere Kostenlose Bücher