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Don Quixote

Don Quixote

Titel: Don Quixote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miguel de Cervantes Saavedra
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Abenteuers. Hierauf sprach er mit lauter Stimme: »O du Gebieterin meiner Handlungen und Gedanken, leuchtende und unvergleichliche Dulcinea von Toboso! Ist es möglich, daß die flehentlichen Bitten dieses deines glücklichen Liebhabers dein Gehör erreichen, so flehe ich bei deiner nie erhörten Schönheit, daß du ihn hören mögest; denn ich flehe dich nur an, daß du mir deine Hülfe und deinen Beistand nicht entziehen mögest, die ich jetzt nötig brauche. Ich gehe, mich zu stürzen, zu tauchen und zu versenken in diesen Abgrund, den ich hier vor mir sehe, bloß damit die Welt erfahre, daß, wenn du mich begünstigst, es keine Unmöglichkeit gebe, die ich nicht unternehme und beendige.« Als er dies gesagt hatte, näherte er sich dem Eingange, und da er sah, daß es keine Möglichkeit sei, sich anders als mit der Kraft des Armes und mit dem Degen der Öffnung zu nähern, ergriff er sein Schwert und hieb und schnitt damit in die Gebüsche, die vor dem Schlunde der Höhle standen; bei welchem Geräusch und Lärmen ein unzähliger Schwarm der größten Raben und Dohlen so gedrängt und so pfeilschnell herausflogen, daß sie den Don Quixote zu Boden warfen. Und wäre er ebensosehr ein abergläubischer als ein katholischer Christ gewesen, so hätte er dieses für eine üble Vorbedeutung genommen und es unterlassen, in einen solchen Ort sich zu verschließen.
    Er stand endlich wieder auf, und da er sah, daß keine Raben oder andere Nachtvögel mehr herausflogen, wie Fledermäuse, die sich auch unter den Raben befunden hatten, so gab er dem Vetter und Sancho das Seil, und diese ließen ihn auf den Grund der furchtbaren Höhle hinunter. Als er hineinstieg, gab ihm Sancho seinen Segen, machte tausend Kreuze über ihn und sagte: »Gott geleite dich und die Jungfrau Maria und die ganze Dreieinigkeit, du Blume, Ausbund und Blüte aller irrenden Ritter! Da gehst du nun hin, du Starrsinn der Welt, du stählernes Herz, du eherner Arm! Gott führe dich zurück und bringe dich wieder frei, gesund und ohne Schaden an das Licht dieses Lebens, welches du verlässest, um dich in der Finsternis zu begraben, die du aufsuchst!«
    Fast die nämlichen Wünsche und Gebete gab ihm der Vetter mit. Don Quixote rief immer, sie sollten mehr und mehr Seil herunterlassen, und sie ließen es nach und nach herunter; und als das Rufen, welches aus dem Schlunde der Höhle heraufgedrungen war, aufgehört hatte, hatten sie auch schon alle hundert Ellen von dem Seile hinuntergelassen. Sie waren der Meinung, daß sie Don Quixote wieder heraufziehen wollten, weil sie ihn nicht tiefer versenken konnten; doch warteten sie wohl eine halbe Stunde, nach welchem Zeitraume sie anfingen, das Seil mit der größten Leichtigkeit heraufzuziehen, weil sie gar kein Gewicht daran spürten, woraus sie schließen mußten, daß Don Quixote drinnen geblieben sei; und da Sancho dies glaubte, weinte er bitterlich und zog in der größten Hast, um die Wahrheit zu erfahren. Da sie aber etwas mehr als achtzig Ellen heraufgezogen hatten, fühlten sie wieder eine Last, worüber sie sehr froh wurden. Endlich, nachdem noch zehn Ellen übrig waren, konnten sie Don Quixote bestimmt unterscheiden, worüber Sancho aufschrie und sagte: »Seid mir wieder willkommen, mein gnädiger Herr, denn wir dachten, man hätte Euch unten behalten, um die Art fortzupflanzen.« Don Quixote antwortete nichts, und als sie ihn ganz herauszogen, sahen sie, daß er die Augen geschlossen habe und fest eingeschlafen sei. Sie legten ihn auf die Erde und banden ihn los, aber er wachte von alledem nicht auf. Sie wandten ihn aber so lange hin und her, schüttelten und rupften ihn, daß er endlich nach geraumer Zeit wieder zu sich kam, sich dehnte, als wenn er aus einem schweren und tiefen Traume erwachte, sich wie erschreckt von einer und der andern Seite umschaute und sagte: »Gott möge es Euch, meine Freunde, verzeihen, daß Ihr mir das anmutigste und schönste Leben und Gesicht entzieht, welches ein Mensch nur jemals geführt oder gesehen hat. Wahrlich, jetzt sehe ich ein, daß alle Vergnügungen dieser Welt wie Schatten und Traum verfliegen oder wie die Blume des Feldes verwelken! O unglücklicher Montesinos! O schwer verwundeter Durandarte! O elende Belerma! O weinender Guadiana und Ihr übrigen trostlosen Töchter der Ruidera, die Ihr mit Euren Gewässern zeigt, wie reichliche Tränen Eure schönen Augen vergossen haben!«
    Mit der größten Aufmerksamkeit hörten der Vetter und Sancho auf diese Worte

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