Don Quixote
Stadt zu betrachten.« Um das als Wahrheit zu bestätigen, was das Mädchen gesagt hatte, brachten die Häscher jetzt ihren Bruder herbei, den einer von ihnen ergriffen hatte, als er von seiner Schwester entflohen war. Er hatte nichts als einen kostbaren Rock an und einen Mantel von himmelblauer Seide mit goldener Stickerei, den Kopf ohne Aufsatz und ohne allen anderen Schmuck als mit seinen eigenen Haaren, welche Ringe von Gold waren, so gelb und gelockt, wie sie erschienen. Der Statthalter, der Haushofmeister und der Speisemeister entfernten sich mit ihm und fragten ihn, ohne daß es seine Schwester hörte, wie er in diese Kleidung komme. Worauf er ebenso schamhaft und zögernd das nämliche erzählte, was seine Schwester erzählt hatte, worüber der verliebte Speisemeister großes Vergnügen empfand. Der Statthalter aber sagte zu ihnen: »Wahrlich, meine Freunde, dies ist eine große Kinderei gewesen, und um diese Torheit und dieses Wagestück zu erzählen, bedurfte es nicht soviel Vorrednerei, sowenig wie der vielen Tränen und Seufzer; Ihr durftet nur sagen, wir sind aus dem väterlichen Hause spazierengegangen, mit dieser Erfindung aus bloßer Neugier, ohne eine andere Absicht, und damit war die Geschichte zu Ende, aber nicht soviel Ach! Himmelchen! und lieber Gottchen! und immer auf demselben Flecke bleiben. Alle das Seufzerwesen und Tränenvergießen fiel weg.«
»Das ist wahr«, antwortete das Mädchen, »aber Euer Gnaden muß wissen, daß die Verwirrung, in der ich mich befand, so groß gewesen ist, daß ich nicht wußte, wie ich mich benehmen sollte.«
»Es ist nichts dabei verloren«, antwortete Sancho; »wir wollen jetzt gehen und Euch in das Haus Eures Vaters zurückbringen, der Euch vielleicht noch nicht vermißt hat ; künftig aber seid nicht so kindisch und nicht so begierig, die Welt zu sehen: denn das Mädchen tugendhaft immer was im Hause schafft ; und ein Weib und eine Henne verlaufen sich bald von ihrer Tenne; und die, die so gern sieht, wünscht auch leicht gesehen zu werden; mehr will ich nicht sagen.«
Der Jüngling dankte dem Statthalter, daß er so gütig sein wolle, sie in ihr Haus zurückzuführen, worauf sie sich auf den Weg machten, denn es war nicht weit von dort. Sie kamen an, und der Bruder warf mit einem Steinchen an ein Fenster, sogleich stieg eine Magd herunter, die sie erwartet hatte, und öffnete ihnen die Tür; sie gingen hinein, indem sie alle verwundert zurückließen, sowohl über ihre Artigkeit und Schönheit als über ihren Vorsatz, die Welt bei Nacht zu sehen, und ohne die Stadt zu verlassen, welches aber von allen ihrer Jugend beigemessen wurde. Der Speisemeister war im Herzen getroffen und nahm sich vor, sie gleich am andern Tage von ihrem Vater zur Gattin zu begehren, indem er überzeugt war, daß man sie ihm nicht abschlagen würde, da er ein Diener des Herzogs sei; auch Sancho machte Pläne und Entwürfe, den Jüngling mit seiner Tochter Sanchica zu verheiraten, und beschloß, es zu seiner Zeit ins Werk zu richten, denn er glaubte, daß der Tochter eines Statthalters sich keiner zum Manne verweigern würde. Hiermit endigte sich die Ronde dieser Nacht, wie nach zwei Tagen die Statthalterschaft, womit alle Entwürfe vernichtet wurden, wie man weiter unten sehen wird.
17. [50.] KAPITEL
In welchem erklärt wird, wer die Zauberer und
Geißelnden waren, welche die Dueña schlugen und
Don Quixote kniffen und zwickten, nebst dem Erfolge,
welchen der Page hatte, der den Brief der Therese Pansa,
der Frau des Sancho Pansa, überbrachte
Es sagt Cide Hamete Benengeli, der genaueste Erforscher des kleinsten Umstandes dieser wahrhaftigen Historie, daß, als die Doña Rodriguez ihr Zimmer verließ, um in das Gemach des Don Quixote zu gehen, es eine andere Dueña hörte, die neben ihr schlief, und wie nun die Dueñas es lieben, alles zu wissen, zu hören und zu sehen, schlich sie ihr so leise nach, daß es die gute Rodriguez nicht bemerkte; und als die Dueña sah, daß sie in das Gemach des Don Quixote ging, erzählte sie es augenblicklich, um nicht von der allgemeinen Sitte abzuweichen, die alle Dueñas an sich haben, Klätscherinnen zu sein, der Herzogin, daß sich die Doña Rodriguez im Gemache des Don Quixote befinde. Die Herzogin sagte es dem Herzoge und erbat sich die Erlaubnis, daß sie und Altisidora hingehen dürften, um zu sehen, was diese Dueña vom Don Quixote wolle. Der Herzog gab es zu, und die beiden schlichen leise und behutsam Schritt vor Schritt herbei, bis
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