Don Quixote
unglücklichen Verbannung zu besorgen hatten, ebensowenig wollten sie meine Oheime glauben, sondern sie hielten es für Lüge und Erfindung von mir, um nur in dem Lande zu bleiben, in welchem ich geboren war, und deshalb nahmen sie mich mit sich, indem ich weniger freiwillig ging als mit Gewalt gezwungen wurde. Ich hatte eine christliche Mutter und einen verständigen christlichen Vater; ich sog den katholischen Glauben schon mit der Muttermilch ein und wurde in guten Sitten auferzogen; weder in der Sprache noch in Sitten glaubte ich mich jemals als eine Moriske zu zeigen. Mit diesen Tugenden – denn dafür halte ich sie – nahm meine Schönheit zu, wenn ich einige besitze, und ob ich gleich sehr einsam und zurückgezogen lebte, so mußte dies doch nicht so sehr der Fall sein, daß ein junger Ritter nicht Gelegenheit gefunden hätte, mich zu sehen, welcher Don Gaspar Gregorio hieß, der älteste Sohn eines Ritters, der neben unserm Wohnsitz den seinigen hatte. Wie er mich sah, mit mir sprach, sich in mich verliebte und ich ihm noch nicht sehr zugetan war, wäre zu weitläuftig zu erzählen, besonders in einer Zeit, in der ich fürchten muß, daß dieses grausame Seil, welches mir droht, sich zwischen meine Zunge und Kehle drängt; ich will also nur sagen, wie mich bei unsrer Verbannung Don Gregorio begleiten wollte. Er mischte sich unter die Morisken, die von andern Örtern kamen, weil er ihre Sprache sehr gut zu reden wußte, und auf dem Wege ward er der Freund von meinen beiden Oheimen, mit denen ich gehen mußte: denn mein kluger und vorsichtiger Vater entfernte sich, sowie er den ersten Befehl wegen unsrer Verbannung gehört hatte, aus unserm Ort, um in fremden Reichen einen zu suchen, der uns aufnehmen könnte. An einer Stelle, um welche ich allein nur weiß, hatte er viele Perlen und Steine von großem Werte verborgen und eingegraben, auch eine Summe Geldes in goldenen Dublonen. Er gebot mir, daß ich diesen Schatz auf keine Weise anrühren solle, wenn wir auch vielleicht eher vertrieben würden, als er zurückkomme. Dieses tat ich und kam, wie schon gesagt, mit meinen Oheimen und andern Verwandten und Bekannten in der Barbarei an, und der Ort, in welchem wir uns niederließen, war Algier, welcher für mich die Hölle selber war. Der König bekam Nachricht von meiner Schönheit, auch sagte ihm das Gerücht von meinen Reichtümern, welches noch zum Teil mein Glück war. Er ließ mich vor sich kommen und fragte mich, aus welchem Teile von Spanien ich sei und wieviel Geld und Juwelen ich bei mir hätte. Ich nannte ihm die Gegend und sagte, daß Juwelen und Geld dort eingegraben lägen; daß man sie aber leicht bekommen könnte, wenn ich selber nach ihnen zurückreiste. Alles dieses sagte ich, damit ihn nicht meine Schönheit, sondern seine Habsucht verblenden möchte. Indes er noch mit mir sprach, brachte man ihm die Nachricht, daß mit mir einer der edelsten und schönsten Jünglinge gekommen sei, die man sich nur vorstellen könne. Ich merkte gleich, daß von Don Gaspar Gregorio die Rede sei, dessen Schönheit alles weit übertrifft, was man beschreiben kann. Ich erschrak, weil ich an die Gefahr dachte, in der sich Don Gregorio befand, denn unter diesen barbarischen Türken wird ein schöner Jüngling höher geschätzt als ein Mädchen, wenn sie auch die allerschönste wäre. Der König befahl sogleich, man sollte ihn vorführen, daß er ihn sehen könne, wobei er mich fragte, ob es die Wahrheit sei, was man von diesem jungen Menschen erzähle. Ich, als wenn es mir in diesem Augenblicke vom Himmel eingegeben würde, sagte ja; er müsse aber zugleich erfahren, daß er kein Mann sei, sondern ein Mädchen wie ich, ich bäte ihn daher, er möchte mir erlauben, ihn in seine natürliche Tracht zu kleiden, damit er sich in seiner ganzen Schönheit zeigen und unverdunkelt vor ihm erscheinen möge. Er antwortete, wie er es gern erlaube und daß wir am folgenden Tage darüber sprechen wollten, wie ich nach Spanien zurückkehren könne, um den vergrabenen Schatz zu heben. Ich sprach mit Don Gaspar und erzählte ihm die Gefahr, in der er sich befände, wenn man ihn für einen Mann hielt; ich kleidete ihn als Mohrin und stellte ihn noch am nämlichen Abend dem Könige vor, der, sowie er ihn sah, in Erstaunen geriet und beschloß, ihn aufzubewahren und mit ihm dem Großherrn ein Geschenk zu machen; um ihn aber der Gefahr zu entziehen, in der er sich unter den Weibern seines Serails befinden könne, und weil er sich selber
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