Don Quixote
ich dir schon oftmals den Rat gegeben, daß du mit Sprichwörtern nicht so freigebig sein sollst und daß du dich bedenken mögest, wenn du sie anführst, aber ich glaube, daß ich in der Wüste predige: Der Regen höhlt endlich einen Stein aus, aber wer einen Mohren weißwaschen will, tut töricht.«
»Es scheint mir«, antwortete Sancho, »daß auf Euch das paßt : Der Topf sagte zum Kessel: ›Fort, du Schwarznase.‹ Ihr tadelt mich darum, daß ich Sprichwörter sage, und in ebendem Augenblicke gehen sie Euch herrlich ab.«
»Bedenke, Sancho«, antwortete Don Quixote, »ich führe die Sprichwörter mit Absicht an, und sie passen, wenn ich sie sage, wie der Ring auf dem Finger; aber du ziehst sie bei den Haaren herbei, so daß du sie vielmehr schleppst, als sie dir folgen; und wenn ich mich recht erinnere, habe ich dir schon sonst einmal gesagt, daß die Sprichwörter kurze Sentenzen sind, aus der Erfahrung und Beobachtung unserer alten Weisen geschöpft, das Sprichwort aber, welches nicht passend ist, ist viel eher eine Narrheit als eine Sentenz. Wir wollen dies aber lassen und, da die Nacht schon kommt, uns ein wenig vom großen Wege entfernen, wo wir die Nacht zubringen können, und Gott weiß, was morgen sein wird.«
Sie zogen sich zurück, aßen spät und schlecht, sehr gegen den Willen des Sancho, dem die Armseligkeit, die mit der irrenden Ritterschaft in Wäldern und auf Bergen verknüpft zu sein pflegt, von neuem deutlich wurde, und wieder gedachte er des Wohllebens in den Schlössern und Häusern, wie beim Don Diego de Miranda, auf der Hochzeit des reichen Camacho und beim Don Antonio Moreno; er überlegte aber, wie es unmöglich sei, daß es immer Tag oder immer Nacht bleibe, und darum verbrachte er diese schlafend, so wie sein Herr wachend.
3. [68.] KAPITEL
Von dem borstigen Abenteuer, welches Don Quixote
zustieß
Die Nacht war ziemlich finster, ob sich gleich der Mond am Himmel befand, aber er war nicht da, wo er gesehen werden konnte, denn Frau Diana geht oft zu den Antipoden spazieren und läßt alsdann die Berge schwarz und die Täler voller Dunkelheit. Don Quixote gab der Natur nach und schlief den ersten Teil der Nacht, ohne sich nachher vom Schlummer überwältigen zu lassen; sehr von Sancho unterschieden, der niemals wieder zu sich kam, sondern vom Abend bis zum Morgen in einem Stücke schlief, was sein gutes Naturell und seine wenigen Sorgen bewies. Die des Don Quixote hielten ihn so munter, daß er den Sancho erweckte und zu ihm sagte: »Ich verwundere mich, Sancho, über dein unbefangenes Gemüt. Ich glaube, du bist aus Marmor oder aus hartem Erze gemacht, in welchen weder Bewegung noch Empfindung stattfindet. Ich wache, wann du schläfst, ich weine, wann du singst, ich sterbe vor Hunger, wann du von Übersättigung träge und ohne Atem bist. Redliche Die ner müssen die Sorgen ihrer Herren teilen und ihre Empfindungen mit empfinden, wenigstens des Anstandes halber. Betrachte die Heiterkeit dieser Nacht, die Einsamkeit, in der wir uns befinden, welche uns einladet, zwischen unserm Schlafe doch eine Nachtwache einzuschieben. Stehe doch auf um Gottes willen, abseitige dich ein wenig von hier und gib dir mit edlem Gemüte und dankbarer Empfindung dreihundert oder vierhundert Hiebe, auf Abschlag derjenigen, die du zur Entzauberung der Dulcinea vollbringen mußt; mit sanften Bitten verlange ich dieses von dir, denn ich will nicht mit dir, wie neulich, wieder zum Faustgemenge kommen, in welchem ich das Gewicht deiner Fäuste empfunden habe. Hast du dieses getan, so wollen wir den übrigen Teil der Nacht damit zubringen, daß ich meine Entfernung besinge und du deine Treue, wodurch wir denn gleich unsre Schäferübungen anfangen können, die wir in unserm Dorfe fortsetzen wollen.«
»Gnädiger Herr«, antwortete Sancho, »ich bin kein Mönch, daß ich mitten aus dem Schlafe aufstehen und mich geißeln sollte, noch weniger will es mir gut deuchten, daß man von den schrecklichen Schmerzen der Hiebe sich gleich wieder zur Musik bequemen könnte. Laßt mich schlafen und quält mich nicht damit, daß ich mich hauen soll, sonst will ich einen Schwur tun, daß ich niemals mein Kleid damit anrühre, geschweige mein Fleisch.«
»O verhärtete Seele! O Stallmeister ohne Gefühl! O schlecht angewandtes Brot und übel vergoltene Liebe, die ich dir erwiesen habe und noch erweisen wollte! Durch mich bist du Statthalter gewesen, und durch mich hast du die nächste Anwartschaft, Graf zu werden oder eine
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