Donaugrund (German Edition)
alle da drinnen so unglaublich motiviert und dynamisch …« Einen Moment legte er nachdenklich die Stirn in Falten. »Die sind auch alle sehr jung. Mit meinen siebenundzwanzig Jahren war ich schon fast einer der Ältesten.«
Herbert brummte unwillig.
»Andererseits ist die Atmosphäre aber auch unglaublich angespannt«, fuhr Moritz ungerührt fort.
»Ist aber doch kein Wunder«, warf Raphael ein, »wenn einer der Chefs spurlos verschwunden ist, oder?«
Moritz winkte ab. »Ich glaube nicht, dass es daran lag. Es war eher so, als würden alle wahnsinnig unter Druck stehen, was die Arbeit angeht. Dabei hat sich dieser Hoyer noch gerühmt, wie mitarbeiterfreundlich HEUREKA wäre. Was ja einerseits auch stimmt …« Plötzlich erhellte ein Lächeln seine Züge. »Stellt euch vor, die haben im Sozialraum neben einer absoluten Profi-Kaffeemaschine auch noch einen funkelnagelneuen Kicker, ein Testlabor für die entwickelten Spiele –«
»So was darfst du nicht erzählen, Moritz«, unterbrach ich ihn. »Wetten, dass Raphael heute Abend seine Bewerbung schreibt?«
Raphael grinste. »Gute Idee. Ich hab gehört, da ist gerade ein Job in der Geschäftsleitung frei geworden.«
»Untersteh dich«, antwortete ich bloß und fuhr an Moritz gewandt fort: »Also, ein Testlabor für die Spiele?«
»Ja«, sagte er. »Aber ich glaube nicht, dass irgendjemand Zeit findet, damit zu spielen. Und selbst wenn, würde es niemand wagen, weil er bestimmt von sämtlichen Kollegen und Vorgesetzten genau beäugt würde.«
»Nach dem Motto: ›Schau hin, der faule Sack hat Zeit zum Spielen?‹«, fragte Raphael.
»Genau. Es gibt auch jeden Tag ein Frühstücksbuffet mit allem Schnickschnack, frisch gepressten Säften und weiß der Geier was noch. Aber ich hab dort niemanden essen sehen oder eben nur ganz verschämt vor dem eigenen Computer und mit einer Hand auf der Tastatur.«
»Ich spar mir die Bewerbung«, antwortete Raphael spröde.
»Das würde ich dir auch empfehlen«, stimmte Moritz mit Nachdruck zu. »Alle machen Überstunden bis in die Puppen, keiner geht pünktlich nach Hause – wir haben die Leute teilweise um halb zehn Uhr abends noch vernommen, aber die mussten nicht extra unseretwegen bleiben. Da bringen die ganzen Fitnessstudio- und Wellnessgutscheine nichts, die an die Mitarbeiter verteilt werden. Wer geht denn noch in die Muckibude oder in die Sauna, wenn er sich abends um zehn völlig groggy aus dem Büro schleppt?«
»Gibt’s vielleicht auch Shopping-Zulagen?«, fragte ich hoffnungsvoll.
»Davon hat dieser Hoyer nichts gesagt«, antwortete Moritz ernsthaft. »Aber während der Zeit unserer Ermittlungen dort hat sich sogar jemand selbst eine Shopping-Zulage verschafft.«
»Wie meinst du das?«
»Es gab Ende Dezember einen Diebstahl«, erklärte Moritz. »Die Infos findet ihr weiter hinten in der Akte. Aus der Firmenkasse sind damals dreißig Euro verschwunden. Max und ich hätten das auch gar nicht mitbekommen, aber dieser Hoyer ist schnurstracks zur Polizeiinspektion am Protzenweiher gelaufen, hat den Diebstahl angezeigt und die Nummern einiger Geldscheine hinterlegt. Der Kollege, der das aufgenommen hat, hat uns natürlich postwendend informiert.«
»Hm«, machte ich unentschlossen. Ein Diebstahl von dreißig Euro erschien mir nicht gerade brisant. Meistens steckten hinter solch kleinen Beträgen sowieso nur verschlampte Belege.
»Ist wohl nicht so wichtig«, stellte nun auch Moritz fest. »Trotzdem, das Betriebsklima ist insgesamt ziemlich miserabel. Ich hatte den Eindruck, es geht einfach nur darum, unglaublich locker und mitarbeiterfreundlich zu wirken . Nicht zu sein .«
* * *
Raphael blätterte sich erneut durch die Akte und ließ Moritz’ Schilderungen der HEUREKA Revue passieren. Sollte sich morgen bei der Obduktion herausstellen, dass der »Dode« entgegen der Aussage seines Kompagnons doch ordentlich Alkohol getankt hatte, dann war zwar ziemlich klar, dass Jan Wahlner Opfer eines bedauerlichen Unfalls geworden war. Trotzdem würden sie noch einmal mit einigen Mitarbeitern sprechen müssen, um irgendwie den Hergang und die letzten Minuten Wahlners zu rekonstruieren. Oder es wenigstens zu versuchen.
Nicht zum ersten Mal fiel ihm Frau Wahlners abweisende Reaktion auf die Fragen zur Firma ihres Mannes ein. Er konnte nicht leugnen, dass der Gedanke an HEUREKA ein nervöses Kribbeln in ihm auslöste.
»Auf der Webseite erfährt man nicht gerade viel über das Unternehmen«, sagte Sarah, der es
Weitere Kostenlose Bücher