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Donner: Die Chroniken von Hara 3

Donner: Die Chroniken von Hara 3

Titel: Donner: Die Chroniken von Hara 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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Regenwolken. Einzig der goldene Koloss des Imperators hob sich gegen den tristen Himmel ab. Wer auch immer sich der Stadt näherte, sei es bei Tag oder bei Nacht, erblickte schon aus weiter Ferne den weichen Glanz dieses Bauwerks. Als Rando noch ein kleiner Junge gewesen war, hatte er es geliebt, dieses Werk des Skulptors aufzusuchen und die raue, warme Oberfläche des gigantischen Baus zu berühren. In diesen Minuten kam ihm das Steinwerk wie ein altes und weises Lebewesen vor, das stets wusste, wer aus welchem Grund zu ihm kam. Der goldene Wächter der Hauptstadt erkannte diejenigen, in deren Adern das Blut der Falken floss. Rando rey Vallion war einer von ihnen.
    An diesem Tag strahlte der Koloss besonders hell. Durch die ganze Stadt erklang der Schall von Hörnern und mischte sich mit den Schreien der Menge, die den Sieg am Gemer Bogen feierte. Auch Rando freute sich und dachte für kurze Zeit nicht an all jene, die in die Schlacht gezogen, aber nicht zurückgekehrt waren.
    Das Erste, was er beim Aufwachen erblickte, waren die Blätter über ihm, eine schiere Flammenpracht. Er lag unter einem Ahornbaum, durch dessen Zweige warmes Sonnenlicht fiel. Ein Blatt wurde von einer sanften Brise erfasst, segelte zu Boden und verschwand aus Randos Blickfeld.
    Der junge Ritter blinzelte. Kaum setzte er an aufzustehen, schoss ein bohrender Schmerz in seinen Nacken. Einen Fluch murmelnd, versuchte er den Schwindel zu unterdrücken. Die Schmerzen, die bis eben friedlich wie er selbst geschlummert hatten, fielen nun über seine Knochen her, pressten seine Schläfen zusammen, schüttelten ihn und trockneten ihm den Mund aus.
    Sobald er sich kräftig genug fühlte, rappelte er sich hoch und lehnte sich mit dem Rücken gegen den Stamm. Mit letzter Anstrengung vertrieb er das Schwindelgefühl. Eine Minute später, als es ihm nicht mehr vor Augen flimmerte, ließ er den Blick aufmerksam schweifen.
    Keine drei Schritt von sich entfernt entdeckte er zwei Rucksäcke, seinen leichten Harnisch sowie den Gürtel mit dem Schwert seines Vaters und mit einem Dolch. Daneben lag eine Flasche. Erst jetzt begriff er, wie durstig er war. Das Fieber schien ihn von innen ausgetrocknet zu haben. Trotzdem langte er zunächst nach dem Dolch, zog ihn blank und bettete ihn neben sich, damit er ihn bei Gefahr jederzeit griffbereit hatte.
    Die Ahornbäume standen recht weit auseinander und ließen ihm freie Sicht auf die Umgebung und die gelbe Wand des Waldes, der sich über vierhundert Yard von der Stelle entfernt erhob, an der er saß.
    Die Sonnenstrahlen eroberten sich alle baumlosen Stellen, spiegelten sich in den blendend weißen Grabsteinen und Platten. Die meisten dieser Grabmäler hatten den Jahrhunderten nichts entgegensetzen können, waren umgefallen, lagen unter Sand begraben und bildeten kaum noch erkennbare Erhebungen im Boden. Einige staken wie durch Wind und Regen ausgeblichene Menschenknochen aus dem Erdboden heraus – als fänden sie in der jenseitigen Welt keine Ruhe. Doch gab es auch welche, denen die Zeit nichts hatte anhaben können. In diesem Fall traf sein Blick auf klare Linien voller Harmonie und Poesie, auf Steine, die sich der Sonne entgegenreckten, ihre Wärme in sich aufnahmen und sie an alle weitergaben, die sie nur berührten.
    Etwas weiter entfernt stand hinter drei flammend roten Bäumen eine Art Pavillon. Ihn säumten glänzend polierte Säulen, die die gleiche Farbe aufwiesen wie die Grabplatten.
    Es war ein seltsamer Friedhof. Nirgends, weder am Obelisk für die Gefallenen in Korunn noch auf irgendeinem Friedhof im Imperium, war ihm je dieses friedliche … Altertum begegnet. Mühelos erkannte er den Stil dieser Anlage und der kühn geschwungenen Linien. Nur ein Volk in Hara schuf solche Bauwerke: Diesen Friedhof mussten die Hochwohlgeborenen in längst vergangenen Zeiten angelegt haben.
    Sie liebten und schätzten die Schönheit des Steins nicht weniger als die der Bäume, wie sie sich im Sandoner Wald, in Uloron, vor allem aber in all jenen namenlosen Wäldern offenbarte, die ihnen die Menschen des Imperiums Jahrhunderte vor der Geburt des Skulptors erst geraubt und dann abgeholzt hatten.
    So beschlagen in der Geschichte, wie er war, wusste Rando, dass die Spitzohren früher nicht nur in den östlichen Gebieten gelebt hatten, sondern auch im Westen, an den Blinden Bergen, die bei den Elfen Bollwand hießen. Hinter diese hatte der erste Falke die einstigen Herren dieses Landstrichs zurückgeschlagen …
    Rando

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