Donner: Die Chroniken von Hara 3
sind wir ihnen hilflos ausgeliefert!«
»Wie weit ist es noch bis zu diesem Pavillon?«, fragte ich und spähte mit einem Auge den Weg hinunter. Das andere wurde vom Blut ausgeschaltet, das dann weiter über Wange und Hals floss und vom Kinn auf meine Kleidung tropfte.
»Sechzig Yard. He, Ness, du bist verwundet!«
»Das ist nur ein Kratzer!«, murmelte ich und stieß seine Hand weg.
»Was ist mit Yumi?« Besorgt blickte Ghbabakh auf das dunkelgrüne Fellknäuel in meinen Händen.
»Er lebt. Nimmst du Rona?«
»Ja«, antwortete Ghbabakh. »Aber dass du mir gwut auf den Kwaleinen aufpasst.«
Die sechzig Yard brachten wir hinter uns wie ein Trupp von Invaliden, der auf die Idee verfallen war, fangen zu spielen. Yumi wurde in meinen Armen immer schwerer, denn trotz seiner geringen Größe wog er einiges.
Der Pavillon bestand mittlerweile nur noch aus zwei Wänden und einem halbrunden Säulengang mit schmalen Bögen. Eine aufwändig gearbeitete Treppe führte geradewegs ins Nichts und riss auf doppelter Mannshöhe ab.
»Nennst du diese Ruine etwa Festung?!«, brüllte ich Shen an. »Wie sollen wir uns in dem Gemäuer denn bitte schön verteidigen?!«
»Mithilfe der Magie, die es noch in den Wänden gibt«, erklärte Typhus an Shens Stelle. »In der Vergangenheit hat man nämlich großen Wert darauf gelegt, die Wegblüten zu schützen.«
Ghbabakh untersuchte bereits aufmerksam die sieben türkisfarbenen Steinhauer, die hinter den Säulen lagen. Sie waren wesentlich größer als alle, die ich bisher gesehen hatte. Das Bodenmosaik um die Wegblüte herum war verblasst, auf ihm lag blutrotes Laub.
Ich trug Yumi zu ihnen und legte ihn neben einem der Hauer ab. Der Waiya hatte die Augen immer noch geschlossen, seine eine Seite war deutlich angeschwollen. Shen trennte sich kurz von Rona, um nach mir zu schauen, doch ich bedeutete ihm bloß mit dem Finger, er möge sich den kleinen Spurenriecher ansehen.
Aus meinen Wunden floss noch immer Blut, allerdings längst nicht mehr so heftig. Rona reichte mir ihr buntes Halstuch. Das lehnte ich nicht ab. Rasch legte ich einen Verband an, der mich wie einen Piraten aussehen ließ.
»Bleibt alle im Pavillon! Oder in dem, was noch von ihm übrig ist«, befahl Typhus. »Zumindest eine gewisse Zeit dürften wir in ihm sicher sein.«
Niemand fragte, was uns nach dieser
gewissen Zeit
erwartete. Man musste keine Geistesgröße sein, um die Antwort auf diese Frage zu kennen.
»Auf Gespräche dürfen wir wohl nicht mehr hoffen?«, murmelte ich, den Blick auf den menschenleeren Weg gerichtet.
»Nachdem du einen der beiden Uyg erschossen hast?! Was meinst du, wie Alenari jetzt tobt? Sie dürfte also kaum geneigt sein, uns ihr Ohr zu leihen«, erwiderte Typhus in völlig erschöpftem Ton. »Nein, unsere Sicherheit hängt ausschließlich von mir ab. Aber ich weiß nicht, wie lange ich noch durchhalte.«
»Und du kannst die Verdammte ganz bestimmt nicht erledigen?«, fragte Shen und ballte die Fäuste.
»Nicht in meiner gegenwärtigen Verfassung. Dazu haben mich die Kämpfe mit den Auserwählten zu stark ausgelaugt. Rona, was ist mit deinem Funken?«
»Ich bin leer«, antwortete sie. »Sollte ich auch nur noch einen Zauber wirken, verbrenne ich wahrscheinlich von innen.«
»Shen?«
»Mir dreht sich der Kopf, aber sonst bin ich wohlauf.«
»Gut. Dann improvisiere!«
»Bitte?!«
»Aufs Improvisieren verstehst du dich wirklich. Mir ist völlig unklar, nach welchem Prinzip du deine Zauber aufbaust, aber wenn du sie nach deiner eigenwilligen Methode flichtst, gelingen sie dir wesentlich kraftvoller, als wenn du dich an die Regeln hältst. Dein Funken wird dir schon sagen, was zu tun ist. Glaub mir, das schaffst du spielend.«
Jetzt erschien ein Dutzend Reiter auf der Straße, die in unsere Richtung sprengten. Typhus tötete eines der Pferde, nur um es gleich darauf wiederzubeleben. Das Tier mit seinen nunmehr smaragdgrün funkelnden Augen säte nackte Panik unter seinen Artgenossen. Keiner der Vierbeiner ließ sich noch zügeln, einige warfen ihre Reiter ab, andere stoben davon.
Verzweifelte Schreie und Flüche drangen zu uns heran. Das untote Pferd stürzte den flüchtenden Gäulen hinterher. In der Ferne riefen sich die Männer, die den Park durchkämmten, etwas zu.
Typhus lächelte zufrieden in sich hinein. Als sie meinen Blick auffing, erklärte sie: »Aus irgendeinem Grund hat dieser Zauber bei Menschen einen durchschlagenden Erfolg. Zeige ihnen nur einen Untoten, und sie
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