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Donner: Die Chroniken von Hara 3

Donner: Die Chroniken von Hara 3

Titel: Donner: Die Chroniken von Hara 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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Typhus, um sich dann an mich zu wenden: »Wie weit muss sie herankommen?«
    »Einhundertundachtzig Yard.«
    »Vergiss nicht, dass wir keinen Schutz mehr haben. Ich werde nicht einmal den schwächsten Zauber zerschlagen können.«
    Ich zuckte lediglich die Achseln. Das Schicksal würde seine Entscheidung treffen: Entweder überlebten wir oder Blatter.
    Ich wartete mit gespanntem Bogen.
    Eine seltsame Ruhe erfasste mich. Die Zeit dehnte sich wie jener zähe Sirup, der auf den Märkten im Süden zu Feiertagen verkauft wurde. Mein Herz schlug so langsam, dass ich schon meinte, es werde in der nächsten Sekunde stehen bleiben.
    Ich hatte einzig Blatter im Blick. Sie jagte auf uns zu, den Kopf dicht an die schwarze Mähne ihres Pferdes geschmiegt und mit flatterndem silbernen Haar. Eine konzentrierte und entschlossene Rächerin.
    Auf der Welt gab es nur noch sie und mich.
    Eine Maske. Glatt. Weiß. Mit dunklen Augenschlitzen.
    Sie starrte mich an. Und trank unaufhörlich, unablässig, unentwegt meine Seele.
    »Jetzt!«, schrie Typhus neben mir. »Schieß!«
    »Gut«, brüllte ich zurück und zog die Sehne hinters Ohr.
    Dann überschlugen sich die Ereignisse.
    Um Blatter herum flimmerte die Luft. Sie vergaß mich, erschauderte, als sie begriff, dass sie ihren Schild eingebüßt hatte. Und ausgerechnet da fiel mir einer meiner Albträume ein …
    »Da ist sie!«, schreit die Verdammte, die plötzlich hinter mir aufgetaucht ist. »Schieß!«
    Der Pfeil löst sich von der Sehne, zieht einen violetten Schweif hinter sich her und fliegt über das Wermutfeld dahin. Die Spitze leuchtet wie ein nördlicher Stern. Das Ziel reitet auf mich zu: eine Frau, deren Gesicht von einer silbernen Maske verborgen wird. Der Pfeil trifft sie mitten ins Herz. Sie kippt langsam zur Seite, fünf Schritt vor mir rutscht sie vom Pferd. Es dauert einen Moment, bis ich begreife, dass ich die Verdammte Blatter getötet habe. Jetzt liegt sie mit ausgestreckten Armen auf dem Boden. Das Haar, zu einem Zopf zusammengebunden, wirkt wie lebendes Silber, ihr Blut bedeckt das prachtvolle schwarze Reitkleid.
    Von Neugier gepeinigt, hocke ich mich neben sie und nehme ihr die Maske ab, die aus dem kostbaren Grohaner Silber gefertigt ist, das fast so weiß wie Porzellan schimmert.
    Ich blicke in die toten, gläsernen Augen Lahens.
    Meine Hand zitterte, als sich der Pfeil von der Sehne löste und wie ein lilafarbener Komet über die verbrannte Erde flog. Er verfehlte die Verdammte nur um vier Finger. Sie zügelte ihr Pferd und betrachtete ungläubig den Pfeil, der ihr eigentlich den Tod hätte bringen sollen.
    Hinter mir stöhnte jemand verzweifelt.
    Blatter bewegte die Hand, schöpfte aus den Wolken ein geradezu körperliches Dunkel und schickte sich an, uns alle zu töten.
    Genau in dieser Sekunde gab die Wegblüte einen silberhellen, glockenreinen Ton von sich. Die Hauer schoben sich über unseren Köpfen zusammen, als schnappe ein wildes Tier zu. Dann flogen sie in sieben unterschiedliche Richtungen auseinander, brachten Nacht über die Welt und näherten sich wieder, sieben leuchtend türkisfarbene Schnörkel in der Finsternis …
    Grelles Licht schlug mir in die Augen. Ich blinzelte, begriff aber trotz meiner Benommenheit, dass es nur die Abendsonne war. Die überraschend warmen Strahlen tauchten die ganze Gegend in satte orangefarbene Töne. Der Himmel lag hoch über uns, immer noch klar, mit nur einzelnen, rosa getünchten Federwolken.
    Vor uns erhoben sich Berge und Wälder. Die Hauer der Wegblüte bewegten sich nicht mehr. Es waren nur noch schwarze, von goldenen Adern durchzogene Steine. Um sie herum wuchsen schlanke Kiefern. Rona lehnte an meiner Schulter. Es herrschte eine derart tiefe Stille, dass ich ihr Herz schlagen hörte.
    Blatter war nirgendwo zu sehen.
    Ich drehte mich nach Typhus um, damit sie mir all das erklärte. Sie schnappte wie ein aus dem Wasser gezogener Fisch nach Luft. Shen war ganz grün, als müsse er sich gleich übergeben. Er saß gegen einen der Hauer gelehnt da, den Kopf in den Nacken gelegt, um sein Nasenbluten zu stillen.
    »Mein Junge … mein Kleiner … Shen«, stammelte Typhus in einer Mischung aus grenzenloser Begeisterung und unsagbarer Verblüffung. »Du hast … anscheinend gerade eben eine Wegblüte aufgeweckt!«

Kapitel
14
    Rando träumte vom Herbst.
    Die Ahornblätter in den Gärten flammten rot. Die grauen, uneinnehmbaren Mauern und die Turmhelme Korunns verschmolzen mit den schweren, langsam dahinziehenden

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