Donner: Die Chroniken von Hara 3
etwas essen«, sagte ich und hielt ihr die Schüssel hin. Da sie aber noch immer keine Anstalten machte, etwas zu sich zu nehmen, führte ich ihr den Löffel an den Mund. »Du tust niemandem einen Gefallen, wenn du verhungerst.«
Das veranlasste Rona, schweigend die ganze Suppe aufzuessen.
»Danke, dass du mir das Leben gerettet hast«, sagte ich, als ich ihr die Schale abnahm.
»Nichts zu danken«, presste sie fast widerwillig heraus.
»Du bist krank und hast Fieber. Leg dich also bitte wieder hin. Ich werde mal sehen, ob wir ein paar Kräuter für dich finden.«
»Das kommt von meiner Gabe«, erklärte sie, streckte sich aber aus und schloss die Augen. »Medizin hilft da nicht. Ich muss schlafen, einfach nur schlafen …«
Daraufhin wollte ich aus dem Wagen klettern.
»Wenn er seine Gabe einsetzt, ist sein Funken dunkel«, hauchte sie. »Er ist böse. Er unterscheidet sich durch nichts von der Verdammten Lepra.«
»Red keinen Unsinn, Schreitende!«, fuhr ich sie an. »Deine Freundin Kira hatte nicht einen dunklen Fleck in ihrem Funken, trotzdem willst du sie am liebsten vergessen. Gut, mag sein, der Heiler verfügt über Fähigkeiten, die dir Angst einjagen – aber er ist ein weit besserer Mensch als deine kleine Freundin! Deshalb solltet ihr beide endlich Frieden miteinander schließen. Das gilt vor allem für dich. Der Junge kümmert sich ständig um dich und sorgt sich um deine Gesundheit. Da ist es nicht gerade höflich, ihn mit Kampfzaubern zu befeuern, meinst du nicht auch?«
»Ja«, antwortete sie nur und fiel in nachdenkliches Schweigen.
»Und?«, fragte Shen. »Wie geht es ihr?«
»Sie hat sich beruhigt«, antwortete ich und setzte mich neben ihn auf den Boden. »Aber vielleicht solltest du dich ein wenig von ihr fernhalten.«
»Sie will mir nichts Böses.«
»Bist du da so sicher?«
»Rona ist immer noch nicht wieder ganz sie selbst.«
»Genau deswegen sollst du dich ja von ihr fernhalten«, beharrte ich. »Wenn du mich fragst, will dir das Mädchen nämlich durchaus ans Leder. Aber so haben es die Schreitenden ja immer mit Abtrünnigen gehalten, oder etwa nicht?«
»Spar dir dein kluges Geschwätz! Ich weiß schon, was ich tue.«
»Wie du meinst«, entgegnete ich. »Hauptsache, ihr beharkt euch nicht die ganze Zeit und haut mir den Wagen nicht in Stücke … Sag mal, wie lange habe ich eigentlich geschlafen?«
Erst jetzt fiel mir auf, dass die Sonne gerade am Horizont aufging, obwohl sie nach meinen Berechnungen eigentlich hätte untergehen sollen. Auch das Wetter hatte sich verändert, die Wolkendecke zeigte Risse, es regnete nicht mehr, dafür ging der Wind stärker, brachte aus Osten ununterbrochen Kälte heran.
»Die ganze Nacht.«
»Ich hab dich doch gebeten, mich zu wecken!«
»Und ich habe mir erlaubt, diese Bitte zu überhören!«, blaffte er mich an, noch immer verärgert wegen des Zwischenfalls mit Rona.
Sei’s drum. Ein Streit hätte eh nichts genützt, außerdem war ja im Grunde nichts Schlimmes geschehen. Die anderen waren ohne mich zurechtgekommen, ich hatte mich endlich einmal ausgeschlafen und fühlte mich nicht mehr wie an der Wand verschmiert.
Shen schielte schon wieder zum Wagen hinüber, murmelte, er wolle nach Rona sehen, stand dann aber doch nicht auf. Yumi war wie vom Erdboden verschluckt, Ghbabakh auch noch nicht wieder aufgetaucht.
»Wie weit ist es noch bis zum Regenbogental?«, fragte Shen.
»Wir werden es nicht vor dem zweiten Herbstmonat erreichen«, antwortete ich. »Frühestens.«
Shen stöhnte.
»Was hast du denn geglaubt? Sieh dir doch mal die Straße an! Über die können wir nur kriechen. Daran wird sich auch nichts ändern, bis die Fröste einsetzen. Übe dich also in Geduld und genieße die Landschaft.«
Daraufhin erklärte er mir unumwunden, wohin ich mir diese Landschaft stecken könnte. Ich grinste bloß. Der Junge ließ seine schlechte Laune an mir aus. Ronas Genesung verlief ganz und gar nicht so, wie er sich das vorgestellt hatte. Seit das Mädchen wieder einigermaßen klar denken konnte, ging sie auf ihn los. Außerdem verstand er allmählich, dass er für unser langsames Vorwärtskommen verantwortlich war, denn in seiner Sorge um die Schreitende hatte er darauf bestanden, einen Wagen zu nehmen.
Wir brauchten eine halbe Stunde, um die Pferde anzuspannen, dann brachen wir auf und fuhren wieder auf die Straße, ohne uns Gedanken um Yumi und Ghbabakh zu machen. Die beiden waren schließlich nicht das erste Mal verschwunden.
Gegen
Weitere Kostenlose Bücher