Donner: Die Chroniken von Hara 3
das legt sich bestimmt bald wieder.«
»Du hast die Spur nicht wieder entdeckt?«, wechselte Shen das Thema.
»Nein.«
»Worauf hoffst du dann eigentlich noch?«
»Auf mein Glück, das Schicksal und die Güte Meloths«, gab ich zuversichtlich zurück, obwohl sich in meinem Innern alles schmerzlich zusammenzog. Lahen hatte keines der drei genannten Dinge gerettet. Nicht einmal ich bin in der Sekunde ihres Todes an ihrer Seite gewesen …
»Das heißt, es gibt kaum noch Hoffnung.«
»Hoffnung gibt es immer, mein Junge. Vor allem, wenn du den Kopf nicht in den Sand steckst. Ich werde die Wahrheit herausfinden. Früher oder später bringe ich alles in Erfahrung. Und dann sollte sich dieser Dreckskerl tunlichst vor mir in Acht nehmen.«
Als ich diese Drohung ausstieß, musste ich ein derart finsteres Gesicht gemacht haben, dass Shen nicht weiter in mich drang: »Warum willst du eigentlich noch ins Regenbogental?«, erkundigte er sich stattdessen. »Du wirst da doch gar nicht erwartet. Im Gegensatz zu mir.«
»Falsch. Nicht auf mich, sondern auf
dich
wartet dort niemand mehr. Und es wäre äußerst töricht, den Schreitenden die Artefakte auszuhändigen. Das habe ich dir schon mehr als einmal gesagt. Aber du hast recht, jetzt, da Lahen tot ist, zwingt mich niemand mehr, mich ins Regenbogental zu begeben. Allerdings gibt es hier nur diese eine Straße. Der werde ich – selbstverständlich mit deiner gütigen Billigung – noch ein Weilchen folgen.«
»Du meinst: so lange, bis du den Mörder gefunden hast?«
»Oder irgendwelche Hinweise auf ihn.«
»Und dann?«
»Da du unbedingt in der Schule der Schreitenden bleiben willst, werden sich unsere Wege dann trennen, denn ich gebe nicht eher Ruhe, als bis ich den Mörder Lahens ins Reich der Tiefe geschickt habe. Außerdem verspüre ich nicht die geringste Lust, zusammen mit dir in diesem Nest voller verlogener Schreitender zu hocken.«
»Du vergisst, dass ich ebenfalls ein verlogener Schreitender bin.«
»Nicht mehr. Seitdem Lahen angefangen hat, dich auszubilden, bist du nicht mehr ganz der, für den die anderen Funkenträger dich halten.«
»Vielen Dank aber auch!«, bemerkte er grinsend. Dieses Grinsen gefror jedoch, kaum dass er die Kette aus edlem Spinell sah, die ich durch meine Finger gleiten ließ. Die roten Steine glitten geschmeidig über meine Haut, ihr Schliff fing die trüben Sonnenstrahlen ein. »Ich hatte angenommen, du hättest diese Kette weggeworfen.«
Ich bedachte ihn mit einem nachdenklichen Blick, linste auf die roten Steine und schenkte schließlich wieder der Straße meine ungeteilte Aufmerksamkeit, um den Wagen nicht in irgendein Loch zu lenken.
»Sie sorgt dafür, dass ich mein Ziel nicht aus den Augen verliere«, räumte ich ein. »Allerdings stellt sie ein Rätsel dar. Dir ist noch nichts dazu eingefallen?«
»Nein, leider nicht. Soll ich dich wirklich nicht ablösen?«
»Nicht nötig, wir sind ja fast da.«
»Gut. Dann sehe ich mal nach Rona. Wenn du mich brauchst, ruf einfach.«
Wieder allein, ließ ich die Kette unverändert durch die Finger gleiten und hing meinen Gedanken nach. In der Nacht nach Lahens Tod hatte ich ein halb zerstörtes Gästezimmer entdeckt, das eine echte Überraschung für mich bereithielt: die Leichen von einer Schreitenden und zwei Glimmenden. Weder ich noch Shen zweifelten daran, dass sie aus dem Turm kamen, denn ihre Kleidung sprach Bände. Die Schreitende kannte Shen nicht, aber einen der Glimmenden hatte er schon in Alsgara gesehen. Als wir die Toten untersuchten, fand ich diese rote Kette.
Was jemand aus dem Turm im Anwesen der Verdammten zu suchen hatte, war uns beiden, Shen und mir, schleierhaft. Die drei sahen nicht aus, als hätte Lepra sie gefangen genommen, außerdem schienen sie gerade erst angekommen zu sein, trugen sie doch noch ihre staubige Reisekleidung. Wer oder was diese Funkenträger umgebracht hatte, ließ sich nicht sagen, aber im Tod sahen sie noch am ehesten wie Fische aus, die ans Ufer gezogen worden waren.
Was meinen Besuch im Regenbogental anging, da hatte ich Shen angelogen. Für den gab es nämlich einen triftigen Grund: Allem Anschein nach wiesen die Spuren in ebendie Richtung, schließlich gab es nur diese eine Straße. Auch die drei Toten aus dem Turm sprachen für sich … Jetzt musste ich nur noch herausfinden, was sie zu der Verdammten Lepra geführt hatte – vielleicht brachte mich das Lahens Mörder ja näher. Deshalb wollte ich im Regenbogental Augen und Ohren
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