Donner: Die Chroniken von Hara 3
gekostet.
Aber ich würde schon noch rauskriegen, was sie von uns wollte. Und zwar sehr bald. Denn wenn sie ihr Ziel erst einmal erreicht hatte, wäre das mein Ende.
»Aus, du Hund«, fiepte Yumi und schob trotz des Regens den Kopf zwischen den Planen hervor. Shen tat es ihm nach.
»Warum biegst du ab?«, fragte der Junge.
»Wir wollen zu diesen Häusern.«
»Die sehen verlassen aus.«
»Den Eindruck hab ich auch«, bestätigte ich.
»Allerdings entzückt mich der Gedanke an eine zweite Dabber Glatze nicht gerade.«
»Yumi sagwat, dass er sich umschaut«, mischte sich nun Ghbabakh ein. »Aber ich gwalaube, dass dieses Flekwachen Erde seit Langwem verlassen ist. Nirgwends gwibt es Rauch. Es riecht auch nicht so, als wären die Häuser bewohnt. Also, fahren wir hin und sehen nach.«
Ich übergab Shen die Zügel und schnappte mir den Bogen.
Der Weiler lag zweihundert Yard von der Straße entfernt. Zu ihm führte ein schmaler Weg, der von verdörrten Sträuchern gesäumt wurde. Die Pferde schienen die nahende Rast zu spüren und liefen prompt schneller. Yumi kehrte zurück und kletterte wie ein flinker Iltis zu Shen hinauf, um ihm in ernstem Ton etwas von seinem Hund zu berichten. Dann schüttelte er das Wasser von seinem grünlichen Fell und schlüpfte ohne viel Federlesens unter den Umhang des Heilers.
»In dem Weiler ist niemand«, übersetzte Ghbabakh für uns.
Daraufhin verstaute ich den Bogen wieder im Wagen.
Die drei kleineren Häuser mit den dazugehörigen Wirtschaftsbauten und den verödeten Beeten empfingen uns mit bedrückender Stille. Insgesamt gab es nur einen Brunnen. Neben ihm stand ein alter, radloser Karren.
Ich nahm mir das erste Haus vor. Nachdem ich die unverschlossene Tür aufgestoßen hatte, fand ich mich in einer schmalen, schummrigen Diele wieder. Ich ging in das einzige Zimmer. In ihm herrschte entsetzliches Chaos. Alles war umgeworfen – als ob jemand Hals über Kopf aufgebrochen wäre.
»Wir bleiben hier«, meldete ich den anderen, als ich wieder aus dem Haus trat.
»Warum sind die Menschen fortgegangen?«, fragte Shen, während er mir half, die Pferde auszuspannen.
»Vielleicht sind sie geflohen«, antwortete Typhus beim Absitzen. »Das kommt öfter vor, wenn ein Krieg ausbricht. Oder in dieser Gegend hat eine Seuche gewütet.«
»In diesem Fall müssten hier Leichen liegen«, widersprach ich. »Nein, ich glaube eher, der Krieg hat die Menschen aus ihren Häusern gejagt.«
»Wir sollten uns jedenfalls die Möglichkeit, mal wieder ein Dach über dem Kopf zu haben, nicht entgehen lassen«, hielt Typhus fest.
Da es keinen Pferdestall gab, brachten wir die Tiere in eines der anderen Häuser. Wir durften wohl zu Recht davon ausgehen, dass die ehemaligen Besitzer nichts dagegen haben würden. Ghbabakh schleppte einen großen Ballen Stroh heran, den Yumi entdeckt hatte. Wir rieben die Pferde ab, tränkten sie und gaben ihnen Futter. Erst danach kümmerten wir uns um uns.
In dem Zimmer, das wir mit Beschlag belegt hatten, rußte der Herd zunächst so stark, dass wir uns die ersten zwanzig Minuten überhaupt nicht in dem Raum aufhalten konnten. Danach gab sich das aber, und es wurde sogar recht gemütlich.
Ghbabakh weigerte sich trotzdem, in ihm zu übernachten, und meinte, es gebe ohnehin nicht genügend Platz und sei viel zu stickig. Deshalb richtete er sich in der Diele ein und legte einen Riegel vor die Außentür. Er selbst versperrte mit seinem Körper den Weg zu uns. Yumi leistete ihm anfangs Gesellschaft, kam aber nach einer Weile völlig durchgefroren zu uns und rollte sich neben dem Herd zusammen.
Shen sorgte für Rona. Das Mädchen verhielt sich weitgehend ruhig, saß reglos da, beobachtete aber Typhus, die es sich abseits vom Herd bequem gemacht hatte, mit scharfen Blicken. Zwischendurch wirkten Ronas Augen immer wieder völlig leer, zudem nickte sie gelegentlich ein oder murmelte etwas Unverständliches. Shen wich nicht von ihrer Seite. Meiner Ansicht nach tat seine Nähe dem Mädchen mittlerweile wohl.
Typhus war ungewöhnlich schweigsam und einsilbig, anscheinend hing sie ihren eigenen Gedanken nach. Irgendwann erhob sie sich und ging hinaus. Yumi folgte ihr, ohne uns vorher zu fragen oder unsere entsprechende Bitte abzuwarten. Der kleine Kerl verstand sein Handwerk so gut, dass ich völlig beruhigt sein konnte: Ihm würde nicht entgehen, wenn die Verdammte irgendeine Schuftigkeit ausheckte.
Allmählich dunkelte es, der Regen trommelte gleichmäßig aufs Dach.
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