Donner: Die Chroniken von Hara 3
ältere, hübsche Frau mit goldenem Haar und einer hohen Meinung von sich selbst.
»Ich habe nicht das Recht, euch hier festzuhalten, Galyna. Wann brecht ihr auf?«
»In zwei Stunden, würde ich meinen«, antwortete diese, wobei sie jedes Wort in die Länge zog. »Sobald die Herrin Maxi ihre zahllosen Reisetruhen aufgeladen hat.«
Auf diese Spitze ging Alia nicht ein.
»Was ist mit dir, Relth?«
»Ich fahre morgen«, erklärte der Glimmende. »Ich habe die Hoffnung immer noch nicht aufgegeben, dass ich Rutzess überreden kann, mich zu begleiten.«
»Ich bin zu alt für eine solche Reise«, sagte der weißhaarige Mann bloß. »Ich bleibe bei dir, Gilara.«
»Deine Gesellschaft wird mir eine Freude sein«, versicherte diese lächelnd.
»Wir würden auch gerne bleiben«, erklärte Dagg für das Trio.
»Das kommt überhaupt nicht infrage, mein Junge! Ich habe bereits mit eurer Lehrerin gesprochen, und sie stimmt meiner Entscheidung vorbehaltlos zu. Galyna, sei so gut und achte auf sie.«
»Selbstverständlich, Herrin Gilara.«
»Gibt es Neuigkeiten?«, wollte Alia Maxi nun wissen.
»Ja. Ebendeshalb habe ich euch gebeten, hier zusammenzukommen. Heute Morgen ist ein Bote eingetroffen.« Eine sengende Welle des Schmerzes wogte über ihre Wirbelsäule. Gilara verstummte kurz, hatte die Beherrschung jedoch im Nu zurückgewonnen und fuhr fort, als sei nichts gewesen. »Er ist der Einzige, der die Reihen der Nabatorer hat durchbrechen können. Von ihm weiß ich, dass Gash-shaku belagert wird.«
»Wie sieht es in Alsgara aus?«, erkundigte sich Relth.
»Aus dem Süden wissen wir nichts Genaueres. Doch von den ersten Truppen der Nabatorer trennen uns lediglich knapp zwei Wochen. Sie rücken von Osten heran. Damit bleibt uns nur noch wenig Zeit.«
»In dem Fall dürft Ihr unter keinen Umständen hierbleiben!«, erklärte Algha.
»Ich reise erst im allerletzten Moment ab. Sorg dich nicht um mich, mein Mädchen.«
»Ihr solltet es wirklich nicht länger hinauszögern«, mischte sich nun Relth mit einem freundlichen Lächeln ein. »Möglicherweise müsst Ihr sonst überstürzt aufbrechen. Hier sind nur noch fünfhundert Soldaten stationiert – und in deren Hände möchte ich mein Leben wahrlich nicht legen. Diese Hasenherzen werden den Sdissern kaum Widerstand leisten. Obendrein würdet Ihr überhaupt nicht mehr aus dem Regenbogental herauskommen, sollten unsere Feinde auf den glorreichen Gedanken verfallen, die Straße nach Westen abzusperren.«
Gilara nickte dem Glimmenden zu, um ihm zu bedeuten, dass sie seine Worte zur Kenntnis genommen hatte.
»Gibt es noch weitere Neuigk…?«, setzte Alia Maxi an.
Doch sie konnte ihren Satz nicht zu Ende sprechen, denn der Fußboden erzitterte mit einem Mal leicht, während das Syner Porzellan über den Tisch hüpfte.
»Was ist das?!«, schrie Galyna panisch.
»Jemand setzt den dunklen Funken ein!«, rief Gilara, die bereits aufgesprungen war.
Die Wände des Saals verschwammen, gewannen jedoch gleich darauf ihre klaren Konturen zurück. Draußen knisterte etwas und fiel stumpf zu Boden. Schreie waren zu hören.
»Alia! Galyna! Rutzess! Zum Haupteingang! Haltet sie auf, solange ihr könnt! Lasst niemanden weiter als bis zu den Türkisfarbenen Hallen vordringen!«, befahl Gilara. »Sollte der Feind in unbezwingbarer Überzahl sein, zieht ihr euch zum Westturm zurück!«
Sofort stürzten die drei hinaus.
»Relth! Kümmere dich um diese jungen Kindsköpfe! Flieh mit ihnen durchs Südtor. Sie dürfen den Sdissern unter keinen Umständen in die Hände fallen!«
»Wir sind bereit zu kämpfen!«, empörte sich Mitha.
»Die Nekromanten verwandeln euch in Asche! Seht zu, dass ihr euch etwas anderes anzieht, sobald ihr in Sicherheit seid. Sonst verraten euch eure Gewänder. Und löscht euren Funken so weit wie möglich. Geht nach Norden. In die Berge. Schlagt euch zu Burg Donnerhauer durch! Relth, du bist mir für sie verantwortlich! Und jetzt los! Möge Meloth euch beistehen!«
Unter ihnen heulte etwas in einem widerwärtigen Ton auf, verstummte jedoch gleich wieder.
»Und Ihr, Herrin? Was ist mit Euch?«, schrie Algha an der Tür, zu der der Glimmende sie am Arm gezogen hatte.
»Ich werde sie in der Tigergalerie in Empfang nehmen, um euch etwas mehr Zeit zu verschaffen. Sorge dich nicht um mich, mein Mädchen, alles wird gut werden«, versicherte Gilara lächelnd.
Bis in die Fingerspitzen hinein spürte Algha, wie sich der dunkle Funke im Regenbogental ausbreitete.
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