Donner: Die Chroniken von Hara 3
Bislang hatte sie von einem solchen Phänomen nur gelesen, jedoch nicht gewusst, wie es sich anfühlte: Ihre Ohrläppchen glühten, die Fingernägel brannten, ein Jucken ging ihr durch die Gelenke und strömte in die Schultern. Zunächst war es lediglich unangenehm, wuchs sich dann aber rasch zu echten Schmerzen aus.
In der Ferne donnerte und krachte es. Über ihre Haut zuckten Zauber, wenn auch durch die Entfernung geschwächt. Alles deutete auf einen heftigen Kampf. Algha rief sich die Zauber
Netz des Tagediebs
und
Liebkosung des Tieres
in Erinnerung – alle anderen Kampfzauber hatte sie in ihrer Panik völlig vergessen.
Dieser Angriff erfolgte so überraschend, nahm sich so unwirklich, widersinnig, unmöglich und schrecklich aus, dass die Schreitende sich ein ums andere Mal bei dem Gedanken ertappte, sie könnte sich all das nur einbilden. Das unangenehme Gefühl in ihren Fingerspitzen verriet ihr jedoch, dass es kein Albtraum war und die Nekromanten – wie auch immer! – in das Regenbogental, das Allerheiligste der Magier und Magierinnen des Imperiums, eingedrungen waren.
Sie bedauerte unendlich, Gilaras Befehl Folge geleistet zu haben. Warum war sie bloß nicht bei ihrer Lehrerin geblieben! Sie wollte sogar zurückkehren, war sich aber nicht sicher, ob sie die Herrin in der weitläufigen Schule überhaupt finden würde. Was, wenn sie dabei auf Sdisser stieß? Nein, da war es schon besser, Relth zu folgen.
Der gedrungene Glimmende vor ihr spähte aufmerksam in jeden Gang. Seine Hände verströmten ein angenehm rötliches Licht. Hinter Algha kam die aufgelöste Mitha. Den Abschluss bildete Dagg, der sich immer wieder umsah. Nervös kaute er auf der vollen Unterlippe und spendete ihnen ebenfalls Licht, das von seinen Handflächen ausging, jedoch weit trüber war als das Relths.
Dieser blieb während ihrer Flucht immer wieder stehen, um den Kopf auf die Seite zu legen und auf das Donnern zu lauschen, das sich zunehmend entfernte. Er lief ohne zu zögern an einer Galerie vorbei, wählte die entgegengesetzte Richtung und führte sie aus dem Gebäude heraus. Es regnete nach wie vor. Algha senkte den Kopf und lüpfte den Rock ein wenig, damit er nicht durch die Pfützen schleifte, die sich auf der mit fliederfarbenen Platten ausgelegten schmalen Straße gebildet hatten. Schon bald musste sie allerdings einsehen, wie vergeblich diese Versuche, ihre Kleidung zu schonen, waren. Daraufhin eilte sie Relth hinterher, ohne auf den nassen Stoff zu achten, der ihr an den Beinen klebte.
Sie kamen zum Apfelgarten und schlüpften erleichtert durch eine Tür, die Relth ihnen aufhielt, in den Nordflügel der Schule. Eine Treppe führte in die oberen Stockwerke, ihr Geländer zierten Kugeln, in denen Blitze zuckten.
Mitha zog die Nase hoch, aus ihrem Haar tropfte Wasser. Dagg hatte zu ihr aufgeschlossen und reichte ihr sein Halstuch, das wie durch ein Wunder trocken geblieben war.
»Die Hälfte des Weges hätten wir geschafft«, durchbrach Algha das Schweigen.
Mit Erleichterung stellte sie fest, dass sie den dunklen Funken nicht mehr spürte – doch genau da betäubte neuerlicher Schmerz ihre Finger. Auf Relth fiel ein grauer Schatten … Die Beine knickten dem Glimmenden weg, er sackte lautlos auf den roten Teppich. Beim Aufprall platzte sein Körper wie eine faule Frucht und zerfiel zu schwarzer Asche.
Mitha wich mit einem entsetzten Aufschrei zurück, beinahe hätte sie dabei sogar Algha umgerissen, die sich aber gerade noch rechtzeitig in Deckung brachte. Auf dem nächsten Treppenabsatz nahm sie eine Bewegung wahr. Sofort schickte sie das Netz des Tagediebs die Treppe hoch. Die Figur in dem weißen Umhang ließ den Stab fallen und polterte die Stufen hinunter. Dagg stellte sich schützend vor Mitha und Algha. Von seinen Händen spritzten orangefarbene Tropfen auf, die jedoch nicht den gelähmten Nekromanten trafen – sondern die gläsernen Kugeln. Diese barsten bei der ersten Berührung mit der Flüssigkeit. Die Blitze aus den Kugeln schnellten ins Freie, schlängelten sich die Stufen hinauf und schlugen in die Wände und die Decke ein.
Inzwischen hatte Mitha den ersten Schreck überwunden und stellte einen Schild auf, der alle drei gegen die wild zuckenden Blitze schützte. Als die Explosionen endeten, lag auf den Stufen nur noch der verkohlte Körper des Nekromanten.
»Wie kommt der hierher?«, hauchte Algha, den fassungslosen Blick auf den schwarzen Haufen stinkenden Fleisches gerichtet.
Da Mitha lautlos
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