Donner: Die Chroniken von Hara 3
um zu begreifen, dass sie ihren Funken angerufen hatte.
Wir liefen an den kreuz und quer stehenden Regalen vorbei – und mir drängte sich der Eindruck auf, ich würde mich in ein Labyrinth vorwagen. Ohne Typhus und ihr beeindruckendes Gedächtnis hätte ich wesentlich länger gebraucht, um diesen tristen, düsteren Ort zu durchqueren.
Nachdem sie erneut abgebogen war, schmiegte sie sich gegen die Wand und suchte im Halbdunkel zwischen zwei Regalen Schutz. Ich folgte ihrem Beispiel. Ein Nekromant schlich an uns vorbei.
Ich schielte zu Typhus hinüber, aber das Auftauchen des Kerls ließ sie recht gleichgültig. Fast, als ob sie mit ihm gerechnet hätte. Nun war auch der letzte Zweifel ausgeräumt: Der Brand im Turm stellte keinen der üblichen Unfälle dar! Die Sdisser waren ins Regenbogental eingefallen. Blieb die Frage, wie. Von Loska aus? Von Alsgara? Oder über die Küstenstraße? Denn auf der Straße, die wir genommen hatten, war weit und breit nichts von ihnen zu sehen gewesen.
»Rona-a-a!!!«
Innerlich stöhnte ich auf. Ohne auf Typhus zu achten, stahl ich mich weiter. Der Nekromant musste diese Schreie ebenfalls gehört haben. Der würde doch sicher mal nachsehen wollen, wer hier so ein Spektakel veranstaltete …
Shen stand in einem runden, kuppelförmigen Raum voller Tische. Die geputzten Buntglasfenster erlaubten es ihm, eine gründliche Inspektion des Saals vorzunehmen – nur dass er dabei nicht auf die schlichte Idee kam, sich auch mal umzudrehen. Dann nämlich wäre ihm der Nekromant aufgefallen, der vierzig Schritt hinter ihm lauerte …
Da ich verhindern wollte, dass der Sdisser seiner Verblüffung über ein derart unverfrorenes Gebrüll Herr wurde und zum Angriff überging, pirschte ich mich von hinten an ihn heran und rammte ihm den Funkentöter in den Hals. Für den Bruchteil einer Sekunde lag der Raum in strahlendem Licht.
Der Nekromant sackte vor mir zu Boden. Shen wirbelte herum und schlug mit etwas aus seiner Trickkiste zu, noch ehe ich mich auch nur wegducken konnte. Ohne Typhus wäre ich ein toter Mann gewesen. So aber sorgte sie dafür, dass sich die Luft vor mir zu einem Schild verdichtete. An diesem Hindernis zerschellte Shens silberne Lanze zu den Kristallen eines mir unbekannten Materials, die rasch schmolzen.
»Vielen Dank auch, mein Junge«, wetterte ich. »Ich bin entzückt, dass du mal wieder praktische Erfahrung im Zaubern sammeln konntest.«
»Beim Dunkel aber auch, das tut mir leid! Wirklich! Das wollte ich nicht!«
»Es hätte nicht viel gefehlt, und du hättest dich bei meinen Gebeinen entschuldigen müssen.«
»Bei allen Sternen Haras! Was seid ihr bloß für Dummköpfe! Alle beide!«, fuhr Typhus dazwischen, sodass ich mich nicht länger an Shens schlechtem Gewissen weiden konnte. »Warum musstest du als Erster vorpreschen, Ness?!«
»Weil ich keine Lust hatte, Shens Überreste von der Wand abzukratzen!«
»Lasst uns von hier verschwinden!«, verlangte Typhus. »Sofort!«
Ohne weitere Erklärungen abzugeben, geschweige denn, auf uns zu warten, stürzte sie davon. Shen und ich sahen uns an – und eilten ihr hinterher.
»Ich muss Rona finden!«, schrie Shen.
»Brüllst du hier deshalb in einer Lautstärke herum, dass es bis zum anderen Ende des Regenbogentals zu hören ist?«, höhnte Typhus.
»Weshalb die Eile, Verdammte?«, wollte Shen von ihr wissen. »Der Nekromant ist doch tot!«
»Ich heiße Thia!«, polterte sie. »Geht das denn nicht in deinen dummen Schädel rein?! Thia! Und wir haben es so eilig, weil Ness einen Auserwählten abgemurkst hat, obwohl es wesentlich klüger gewesen wäre, ihn nur vorübergehend außer Gefecht zu setzen. Und weil du Narr deinen Funken eingesetzt hast. Auf den werden sich gleich alle Schakale stürzen!«
Schon schlüpften wir durch die nächste Tür …
»Ein erfahrener Funkenträger spürt, wenn jemand gestorben ist«, fuhr Typhus fort. »Und er weiß auch, um wen es sich dabei gehandelt hat. Damit dürfte seine Neugier geweckt sein, und er wird sich ein Bild darüber verschaffen wollen, was hier geschehen ist. Deshalb wird er uns suchen.«
»Aber ich überlasse Rona nicht ihrem Schicksal!«
»Stell dir vor, das ist mir durchaus klar!«, schnaubte Typhus. »Gut, suchen wir also deine kleine närrische Freundin. Offenbar kannst du ohne sie ja nicht leben! Obwohl es ihr meiner Ansicht nach nicht schadet, hier rumzuirren. Vielleicht begreift sie dann, dass sie nicht Hals über Kopf losstürmen kann!«
»Als sie den
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