Donner: Die Chroniken von Hara 3
»Vielleicht ist ja noch eine der Schreitenden am Leben.«
»Es sind alle tot, Rona. Diese Männer machen keine Gefangenen«, stellte ich in festem Ton klar. »Das Regenbogental ist verloren. So wenig es dir auch schmecken mag, aber Typhus hat recht. Wir müssen sofort von hier verschwinden.«
Sie hörte mir schweigend zu, sah Shen an, von dem sie sich Unterstützung erhoffte, nickte dann aber zögernd, als sie begriff, dass auch er meine Ansicht teilte. Tränen traten ihr in die Augen.
»Dann lasst uns nach unten gehen«, sagte sie. »Jeder Turm verfügt über einen eigenen Ausgang.«
»Aus, du Hund!«, fiepte Yumi. Er wollte diesen Ort genauso gern verlassen wie ich.
Überall um uns herum heulte und knisterte es. Funken tanzten durch die Luft, die flimmerte, als senge die Sonne vom Himmel herab – dabei strich der Wind mit eisiger Kälte über unsere Haut hinweg. Ein perlmuttfarbenes Licht umschloss mich wie eine Seifenblase. Es hatte mich bereits vor vier eigentlich todbringenden Schlägen bewahrt. Shen hielt diesen Schutz für mich und die geschwächte Rona aufrecht. Ghbabakh war zunächst wie ein Rammbock vorgestürmt und hatte alle Nabatorer, die er zu fassen kriegte, zur Seite geworfen, als wären es Stoffpuppen. Nach einer Weile hatte er sich dann aber zurückgezogen und sich hinter mir aufgebaut, Yumi auf der Schulter.
Nekromanten hatten uns eingekesselt, kaum dass wir einen großen, runden Saal mit Säulen an den Wänden betreten hatten. Vier von ihnen versperrten die Tür, die anderen fünf nahmen uns in die Zange. Was dann geschah, kam einem Sturm gleich, der über uns hinwegfegte – und in dessen Mitte ausgerechnet ich stand.
Es krachte, donnerte und blitzte. Ich hörte und sah nichts mehr, ja, am Ende raubte mir der Gestank, der nach all den magischen Explosionen im Raum hing, sogar die Fähigkeit, etwas zu riechen. Drei Nekromanten lebten inzwischen schon nicht mehr. Shen war bisher mit versengten Brauen und Wimpern davongekommen, ich mit einem leichten Schreck.
Typhus stellte unsere Hauptkraft dar, Shen und Rona sollten nur im Notfall einspringen. Ghbabakh, Yumi und ich waren nicht mehr als nutzloser Ballast, sodass wir alles daransetzten, den dreien nicht in die Quere zu kommen. In den Säulen zeigten sich erste Risse, sie bröckelten und krachten schließlich in sich zusammen. Die glühenden Steinbrocken flogen durch die Luft, knallten gegen die Wände und rissen Löcher in sie. Die Rauchspuren, die diese Geschosse hinterließen, schmolzen nach und nach in der Luft.
Unter unseren Füßen knisterten Eis- und Stahlkristalle. Sie stammten aus den Hilssen. Die purpurroten Schädel der Stöcke jaulten unter der Decke und feuerten von dort aus immer wieder ihre Ladung auf uns ab. Zwei weitere Nekromanten hatten inzwischen den Weg zu ihren Vorvätern angetreten, allerdings nicht ohne uns zum ewigen Angedenken mit etwas zu beschießen, das Shen aufstöhnen und sich an die Schläfen fassen ließ. Prompt verblasste der Schild, trübte sich und erzitterte.
»Thia!«, schrie ich.
»Ich hab’s gesehen!«, sagte sie, hob zwei Hilsse vom Boden auf und rief Shen zu: »Nimm die!«
Der Junge fing die Stöcke auf und erklärte mit angewidertem Gesichtsausdruck: »Ich kann mit diesen Dingern nicht umgehen!«
»Dann wird es höchste Zeit, dass du es lernst!«
Ghbabakh nahm derweil die geschwächte Rona, die kaum Widerstand leistete, auf den Arm.
Wir hatten noch einen Nekromanten vor uns und drei hinter uns, das wussten wir alle nur zu genau.
Mit einem Mal erklangen in unserem Rücken aufgeregte Schreie. Ich drehte mich um – und erstarrte.
Eine Frau mit silbernem Haar kam entschlossenen Schrittes auf uns zu. Ihr Gesicht lag hinter einer Maske verborgen. Links und rechts neben ihr pirschten tief zu Boden geduckt Wesen dahin, die an Hunde erinnerten, auch wenn sie eher den Körperbau von Katzen zeigten.
Ich richtete den Bogen auf sie und gab einen Schuss ab. Eines dieser seltsamen Geschöpfe heulte auf. Ehrlich gesagt, hatte ich gar nicht damit gerechnet, dass ich diese Wesen verletzen könnte. Die Verdammte Blatter offenbar genauso wenig. Während sich dieser Katzenhund in Todeskrämpfen wand, bereitete ich mich innerlich darauf vor, in der nächsten Sekunde ebenfalls zu sterben. Zum Glück pfuschten da aber Rona und Shen der Verdammten ins Handwerk, indem sie beide auf sie einschlugen. Obwohl ihre Zauber das Ziel verfehlten, lenkten sie Blatter damit von mir ab.
Der Schild, der uns alle schützte,
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