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Donnerstags im Park - Roman

Donnerstags im Park - Roman

Titel: Donnerstags im Park - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Boyd
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mehr Stunden als Redakteurin zu arbeiten, als der Tag hatte. In ihrer Abwesenheit kam es zwischen Jeanie und Alex immer zu sinnlosen Diskussionen.
    Sie schob die geleerte grüne Recyclingtonne an ihren Platz, die die Müllmänner auf dem Gehweg hatten stehen lassen, und ging die Stufen zu dem viktorianischen Reihenhaus hinauf.
    »Jean. Komm rein.« Ihr Schwiegersohn rang sich zur Begrüßung ein halbherziges Lächeln ab.
    Riechen eigentlich alle Künstler? , fragte sich Jeanie und hielt den Atem an, als ihr der Geruch nach abgestandenem Schweiß von seinem farbverspritzten T-Shirt in die Nase stieg. Und bestimmt zum tausendsten Mal fragte sie sich außerdem: Was findet Chanty nur an diesem Mann? Er war sicher einmal ein hübscher Junge gewesen mit seinen großen blauen Augen und den pechschwarzen Locken. Doch er war ichbezogen und schaute immer ein wenig schmollend, als hätte die Welt ihre Versprechen ihm gegenüber nicht gehalten. Nun, mit fast vierzig, ließ seine Attraktivität allmählich nach, aber er verhielt sich nach wie vor, als sähe er so gut aus wie früher.
    Alle Gedanken an ihren Schwiegersohn verflogen, als ihre zwei Jahre alte Enkelin lachend, mit leuchtenden braunen Augen und ausgestreckten Armen auf sie zugerannt kam: »Gin, Gin …«
    Jeanie bückte sich, um Ellie hochzuheben, sie an sich zu drücken und den Duft ihrer reinen, weichen Haut einzuatmen. »Wie geht’s, Alex?«
    Alex zuckte mit den schmalen Schultern. »Auf Kinder aufzupassen war noch nie meine Leidenschaft.«
    Jeanie ließ sich nicht provozieren; das konnte sie sich in Gegenwart von Ellie nicht erlauben. »Wann ist die Ausstellungseröffnung?«, erkundigte sie sich fröhlich. Das war nicht als Stichelei gedacht, doch sein süffisantes Lächeln sagte ihr, dass er es als solche interpretierte.
    »Die habe ich verschoben.«
    Jeanie nahm Ellies Mantel und Schuhe. »Schade.« Zu Ellie sagte sie: »Jetzt ziehen wir deinen Mantel an, und dann gehen wir in den Park die Enten füttern.«
    »Es hat keinen Sinn, unter Druck zu produzieren. Der richtige Zeitpunkt kommt schon noch. Ich brauche Raum.« Er lehnte in einer Pose am Kaminsims im Wohnzimmer, als unterhielte er Gäste bei einer Abendeinladung. Der Raum war karg eingerichtet, der Holzboden mit einem hellen Sisalteppich bedeckt. Ansonsten befanden sich darin nur ein großes braunes Ledersofa, ein moderner fahlorangefarbener Conran-Sessel mit Holzlehnen, ein gepolsterter Stuhl und ein riesiger Flachbildfernseher. Dazu kamen bunte, meist abstrakte Gemälde sowie ein rechteckiger Spiegel über dem Kamin. Offenbar wollten Chanty und Alex, solange Ellie klein war, nichts aufstellen, was umgestoßen und beschädigt werden oder das Kind verletzen konnte.
    Jeanie spürte Entrüstung in sich aufsteigen. Er braucht »Raum«? Dieser arrogante, wieselgesichtige Faulpelz, der Chantys irregeleitete Liebe Tag für Tag ausnutzt, sich von ihr aushalten lässt, ohne einen einzigen Penny beizutragen, und sogar Ressentiments gegen seine eigene Tochter hegt, besitzt die Stirn, »Raum« zu fordern? Und das, obwohl alle seine bisherigen Werke abgekupferte abstrakte Scheiße sind?
    »Ich bringe sie so gegen fünf zurück.« Jeanie versuchte zu lächeln, merkte aber, dass ihr die Verärgerung deutlich ins Gesicht geschrieben stand.
    »Klar … Wann immer du möchtest … Bis später, Süße.« Alex beugte sich zu seiner Tochter hinunter, um sie auf die Stirn zu küssen, und mied dabei den Blickkontakt mit seiner Schwiegermutter.
    Jeanie sang ihrer Enkelin ein Kinderlied vor, während sie den Hügel hinauf zum Park marschierten. Innerlich schalt sie sich für ihr unreifes Verhalten Alex gegenüber. Doch leider hatte sie seinerzeit miterleben müssen, wie Chanty, im achten Monat schwanger, auf dem Küchenboden ihrer Eltern zusammengebrochen war, die unfassbare Nachricht von Alex in der Hand:
    Ich kann das nicht;
    ich bin nicht bereit für die Vaterrolle, ich muss noch so viel erreichen.
    Bitte vergib mir.
    Ich liebe Dich, aber es war alles ein schrecklicher Fehler.
    Alex X
    Die Nachricht war nicht überstürzt verfasst worden, was die Sache Jeanies Ansicht nach verschlimmerte. Nein, sie stand mit schwarzen, verschnörkelten Buchstaben auf dickem, cremefarbenem Papier, wie eine Einladung zu einer Party.
    Chanty war mit Blaulicht und Sirene in die Klinik eingeliefert worden, weil die Wehen eingesetzt hatten. Dieser Mann, den Jeanie nun mögen und akzeptieren – vielleicht sogar lieben – sollte, hatte durch seinen

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