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Donnerstags im Park - Roman

Donnerstags im Park - Roman

Titel: Donnerstags im Park - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Boyd
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hatte sie schon bald die gequälte Unentschlossenheit in den Liebkosungen ihres Mannes gespürt. Er hatte Abstand gehalten, selbst noch beim Küssen. Und urplötzlich war wieder das Gitter heruntergegangen. Er hatte sie weggeschoben, sich schweigend von ihrem Bett erhoben und das Zimmer verlassen.
    Ihre Ehe hatte sich an die veränderten Gegebenheiten angepasst. Natürlich nicht sofort: Es war eher ein langsames, schmerzliches Schwinden der Gefühle gewesen, während Jeanies Wut über das Schweigen ihres Mannes – das sie mehr quälte als der Vorfall selbst – sich verkapselte. Ihre Kindheit war von Opfern geprägt gewesen – Jesus ist für uns gestorben. Vergiss das nie, und sei dankbar. Amen . So hatte das Lieblingsdankgebet ihres Vaters gelautet. Der zutiefst gläubige Reverend Dickenson hatte sein Leben auf harte, freudlose Pflichterfüllung gegründet und erwartete das Gleiche von seiner Familie, weshalb im Pfarrhaus stets stumme Angst vor seiner Unerbittlichkeit herrschte.
    Kurze Zeit später hatte George den Laden für sie erworben, vielleicht aus dem verqueren Gefühl heraus, ihr einen Ausgleich bieten zu müssen. Sie hatte sich voller Energie und Begeisterung in die neue Aufgabe gestürzt und Erfolg damit. Der Bioladen Pomegranate befand sich auf halber Höhe des Highgate Hill. Dort konnte man die üblichen Nahrungsergänzungs- und Kräutermittel kaufen und dazu Biogemüse, Käse, frische Säfte und Smoothies sowie köstliches Vollkornbrot und Feinkosterzeugnisse. Jeanie hatte sich einen festen Stamm von Kunden aufgebaut, die zum Teil beträchtliche Wege zu ihr zurücklegten, doch besonders im Sommer lockten ihre Sandwiches auch viel Laufkundschaft auf dem Weg zu einem Hampstead-Heath-Picknick an.
    Offenbar war sie wieder eingeschlafen, denn nun hörte sie ein »Morgen«. George stellte die Tasse mit heißem Tee auf das Nachtkästchen. »Tolles Wetter heute.« Er zog die schweren Vorhänge zurück, so dass die Frühlingssonne hereinscheinen konnte, und lächelte Jeanie, die Hände in die Hüften gestemmt, an. Seine grauen Haare waren ordentlich gekämmt, und die Hornbrille saß wie immer ein wenig schief auf seiner Nase – das eine Ohr war wohl ein wenig höher als das andere, hatten sie Jahre zuvor festgestellt, obwohl man das nicht gleich sah –, was ihm einen verletzlichen Ausdruck verlieh.
    »Was hast du heute vor?«
    Sie gähnte. »Vorstellungsgespräch mit einem neuen Mädchen für den Laden. Jola traut sich die Entscheidung nach ihrem letzten Fehlgriff nicht mehr allein zu. Termin mit einem neuen Lieferanten von veganischen Fertigmahlzeiten; Überprüfung einer gebrauchten Kühleinheit – die am Fenster ist hinüber. Dann Ellie.« Sie lächelten beide bei dem Gedanken an ihre Enkelin. »Und du?«
    George bewegte sich mit seinem schlaksigen Gang zur Tür. »Mein Kalender ist nicht so voll wie deiner, altes Mädchen. Golf heute Nachmittag. Drück die süße Kleine ganz fest von ihrem Opa.«
    Trotz seines fröhlichen Tonfalls schwang wie immer, seit die Versicherungsgesellschaft, für die er seit seiner Jugend tätig gewesen war, ihm fünf Jahre zuvor den vorzeitigen Ruhestand angeboten hatte, deutlich hörbar der Wunsch mit, beschäftigter zu wirken, als er tatsächlich war. Er hatte nur ein einziges Mal darüber gesprochen, einige Monate nach seinem Ausscheiden aus dem Beruf, und gestanden, er komme sich manchmal vor wie »das fünfte Rad am Wagen«. Das beeinflusste ihre Beziehung. Anfangs hatte sie fast noch ein schlechtes Gewissen gehabt, wenn sie jeden Tag mit ihrer üblichen Begeisterung zum Laden aufbrach und ihn seinen einsamen Golfrunden überließ. Wenigstens hatte er sein früheres Hobby, das Sammeln alter Uhren, wiederaufgenommen, die er auseinandernahm und reparierte. Im Haus wimmelte es davon: Überall tickte es, nicht unbedingt im gleichen Takt, als hätten die Regale und Kommoden ein Eigenleben. Lediglich in Jeanies Schlafzimmer herrschte Ruhe. Jeanie hatte das Gefühl, dass die Zwanghaftigkeit ihres Mannes, die früher Triebfeder seiner Karriere gewesen war, stärker und stärker wurde. Wie auch sein für sie unangenehmes Bedürfnis, sie zu kontrollieren.

2
    Als Jeanie am Nachmittag in die Straße einbog, in der ihre Tochter Chanty wohnte, spürte sie, wie sie sich innerlich verkrampfte. Wenn Chanty da gewesen wäre, hätte es keine Probleme gegeben, denn in ihrer Gegenwart wussten Jeanie und ihr Schwiegersohn Alex sich zu benehmen. Doch Chanty war bei Channel 4; sie schien dort

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