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Donnerstags im Park - Roman

Donnerstags im Park - Roman

Titel: Donnerstags im Park - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Boyd
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tust gerade so, als wäre sie ein Ungeheuer. Wie schlimm kann das schon werden? Wahrscheinlich ahnt sie es sowieso.«
    Jeanie ging mit seiner leeren Tasse zur Kaffeemaschine.
    »Ich habe doch jedes Mal, wenn dein Name erwähnt wurde, beteuert, dass ich mich nicht mit dir treffe.«
    Ray zuckte belustigt mit den Achseln.
    »Sie liebt dich, darauf musst du vertrauen«, erklärte er, nahm die Tasse, die sie ihm reichte, und küsste sie auf die Handfläche.
    »Das meint Rita auch, und natürlich weiß ich, dass es stimmt.«
    »Trotzdem hast du meinetwegen nach wie vor Schuldgefühle.«
    Sie nickte. »Nicht so sehr deinetwegen. Eher weil ich die Familie kaputt gemacht habe. Außerdem habe ich das Gefühl, dass es sich in meinem Alter nicht mehr schickt, sich zu verlieben.«
    »Na toll. Wir sind schon ein Pärchen. Das sollten wir feiern.« Er packte sie und zog sie lachend aufs Sofa. »Pass auf, sonst mache ich es dir echt schwer, in die Arbeit zu gehen, dich mit deiner Tochter zu treffen oder heute überhaupt noch aus dem Haus zu kommen.«
    Am Ende steckte Ray sie mit seinem Optimismus an, und sie ging beschwingten Schrittes in Richtung Crouch End.
    »Mum, wenn du mir schwörst, dass du bis zur Trennung von Dad keinen Kontakt mit ihm hattest, glaube ich dir.«
    »Ja? Dad tut das sicher nicht.«
    Chanty schob seufzend mit einer Hand das Baby, das zum Schutz gegen die Kälte in einem putzigen weißen Strampler mit Häschenohren steckte, im Wagen hin und her.
    »Dieser verdammte Mann scheint nichts Besseres zu tun zu haben, als unserer Familie Schwierigkeiten zu bereiten.«
    Jeanie spielte mit den Zuckertütchen auf dem Tisch.
    »Bevor er in dein Leben getreten ist, war mit dir und Dad alles in Ordnung. Was hat er davon, eine fünfunddreißig Jahre dauernde perfekte Beziehung und unsere Familie zu zerstören?« Chanty bedachte ihre Mutter mit einem wütenden Blick. »Wenn du da mal nicht auf was reinfällst.«
    Das Gespräch lief genauso schlecht, wie Jeanie befürchtet hatte. Die Nackenhaare sträubten sich ihr ob der ungerechten Vorwürfe Ray gegenüber.
    »Es war keine perfekte Ehe, Chanty.«
    »Natürlich erfindest du jetzt alle möglichen Probleme, die es nie gab, um dein Gewissen zu beruhigen.« In ihrer Wut schob sie den Kinderwagen ziemlich heftig hin und her, doch Becca schlief ungerührt weiter.
    »Dein Vater hat zehn Jahre lang nicht mit mir geschlafen, da kannte ich Ray noch gar nicht. Und schlimmer: Er hat sich geweigert, mir zu erklären, warum. Er ist einfach eines Nachts aus unserem Bett aufgestanden, hat gesagt, er kann das nicht mehr, und das war’s«, platzte Jeanie heraus.
    Sie sah Chanty an.
    »Tut mir leid, das hätte ich nicht sagen sollen.«
    »Und warum das Ganze?«, hakte Chanty nach, ohne auf die Entschuldigung ihrer Mutter einzugehen.
    »Es war an dem Tag, an dem Acland ihm über den Weg gelaufen ist. Das hat offenbar die Missbrauchsgeschichte hochgespült.«
    »Du hattest keine Ahnung, was der Grund für sein Verhalten war?«
    »Damals nicht, nein.«
    Sie schwiegen eine Weile.
    »Liebes, eigentlich wollte ich dir das nicht erzählen, und ich erwarte auch kein Mitleid von dir. Ich habe die Ehe ruiniert, nicht Ray. Ich mit deinem Vater.«
    »Das mit Dad muss ziemlich schlimm gewesen sein … Zehn Jahre sind eine lange Zeit.« Chanty seufzte. »Wahrscheinlich hat er’s schlicht nicht fertiggebracht, es dir zu sagen.«
    »Heute verstehe ich das. Aber damals hat es nicht den geringsten Sinn ergeben.«
    »Und als dann Ray auftauchte …«
    »War ich nicht auf der Suche nach jemandem fürs Bett. Nach so jemandem hätte ich mich schon Jahre zuvor umschauen können. Zu dem Zeitpunkt hatte ich mich mit den Gegebenheiten abgefunden. Dein Dad hat etwas in mir zerstört, ein Vertrauen, das meiner Ansicht nach zwischen uns bestand, weil er nicht über das Problem sprechen wollte und es ihm egal zu sein schien, welche Folgen es für mich hat.«
    »Liebst du diesen Mann, Mum?«, fragte Chanty, ohne ihre Mutter anzusehen.
    »Ja, Liebes«, antwortete Jeanie.

Epilog
    Jeanie war seit mehr als vierzig Jahren nicht mehr gesegelt, und damals auch nur entlang der Küste von Norfolk. Ray zeigte ihr geduldig, was auf dem Segelboot zu tun war. Die Magda gefiel ihr sehr: Sie war weiß und schnittig, ein Seglertraum, Phils ganzer Stolz. Sie holten sie in Brindisi, segelten die Adria hinüber zur dalmatinischen Küste, ankerten in kleinen Buchten, schwammen in kristallklarem, azurblauem Wasser, das im April noch, wie Ray

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